Vorschlag zum deutsch-amerikanischen Verhältnis: Freunde bleiben und Pfeife rauchen.

Dianne Feinstein ist mit 80 Jahren die älteste Politikerin in unserem Senat. Politisch steht sie sehr weit links. Ihre erste Aktion nach dem Amoklauf von Newtown bestand darin, ihre schon lange geplanten Entwürfe zur massiven Verschärfung der Waffengesetze aus der Schublade zu holen. Sie war außerdem gegen den Defense of Marriage Act. Ein Gesetz zum Schutz der Ehe, dass 1996 mit überwältigenden 2/3-Mehrheiten in House und Senat verabschiedet wurde. Mit der Mehrheit der regierenden Demokraten, darunter Politiker wie Harry Reid und Joe Biden, und unterzeichnet von einem Präsidenten namens Bill Clinton. Offenbar waren die Demokraten 1996 alle homophob und wussten es bis jetzt nicht. Feinstein forderte auch George W. Bush und Obama immer wieder dazu auf Guantánamo zu schließen.

Auf den ersten Blick überraschend sind deshalb ihre Äußerungen zu Edward Snowden: „Ich denke er hat Verrat begannen.“ Und weiter: „I feel I have an obligation to do everything I can to keep this country safe. So put that in your pipe and smoke it.“


 
Ich halte Feinsteins Position für verständlich. Aus der Sicht vieler amerikanischer Politiker ist Snowden ein Verräter. Immerhin hat er gerade den „liberalen“ Politikern ihre liberale Maske entrissen. Feinstein und Obama passt Snowden nicht ins Konzept.

Die Programme, die Snowden enthüllte, sind aus Sicht der Regierung nicht illegal. Aber sie verdeutlichen noch einmal wie verlogen Obamas bisherige Strategie war. Bisher tat Obama so, als seien Freiheit und Sicherheit keine regelmäßigen Gegenspieler, die man allzu oft sorgfältig gegeneinander abwägen muss, sondern untrennbare Entitäten, die sich nicht widersprechen. So sagte er zum Beispiel in seiner ersten Einführungsrede 2009: „Wir lehnen es ab eine Auswahl zwischen unserer Sicherheit und unseren Freiheitsidealen zu treffen.“ Ein typischer Obama-Satz. Realitätsverweigerung. Ein Feel-good-Spruch für seine Wähler.

Als er dann auf frischer Tat mit der Hand an unseren Daten geschnappt wurde, lies Obama vor einigen Tagen vorlauten: „Man kann nicht 100% Sicherheit und 100% Privatsphäre haben. Wir müssen in unserer Gesellschaft Entscheidungen treffen.“ Eine richtige, aber eine späte Erkenntnis. Und ein Eingeständnis, das nur unter Druck entstand. Es war der Druck Snowdens, auch wenn dies wohl eher nicht Snowdens Absicht war.

Bewunderswert ist Feinsteins trotziges Bekenntnis zur nationalen Sicherheit. Ihre erste Reaktion auf die Veröffentlichung des Guardian war: „It’s called protecting America.“ Und eine Tage später schob sie oben genannte Aussage nach: „I feel I have an obligation to do everything I can to keep this country safe. So put that in your pipe and smoke it.“

Es beruhigt mich fast, dass selbst für weit links außenstehende amerikanische Politiker wie Feinstein die Sicherheit Amerikas ein zentrales Anliegen ist. Feinstein steht für ihre Ansichten ein, selbst wenn sie dabei die öffentliche (genauer: veröffentlichte) Meinung nicht hinter sich weiß.

Dianne Feinstein hat ein Rückgrat. Hätte zum Beispiel die deutsche Kanzlerin Angela Merkel auch nur annähernd ein Format wie Frau Feinstein würde sie Edward Snowden Unterschlupf gewähren. Merkel könnte diesen Schritt einfach und klar begründen:

„Ich bin der Sicherheit von Deutschland verpflichtet. Unsere amerikanischen Freunde haben diese Sicherheitssysteme unterlaufen. Sie haben unser Vertrauen missbraucht. Dieser Vertrauensbruch ist eklatant, aber er ist kein Grund für uns die Partnerschaft mit den USA zu beenden. Wir verzeihen unseren Freunden, bitten aber darum auch unsere Reaktion zu verstehen. Keinesfalls werden wir die Vorfälle als billigen Vorwand benutzen, um die Verhandlungen zum geplanten Freihandelsabkommen auf Eis zu legen.

Wir verstehen auch den Anspruch Amerikas Edward Snowden verurteilen zu wollen.
Für uns ist Herr Snowden aber kein Verräter. Für Deutschland ist er ein wertvoller Whistleblower, der uns entscheidende Informationen über die Lücken in unseren Sicherheitssystemen geliefert hat.

Edward Snowden droht in den USA lebenslange Haft. Wir gewähren ihm Unterschlupf. Wir werden das bestehende Auslieferungsabkommen in diesem Einzelfall ignorieren. Die amerikanische Regierung hat in Deutschland millionenfach Recht gebrochen. Unser einmaliger Rechtsbruch ist im Gegensatz dazu marginal und soll nur die Balance wiederherstellen. Edward Snowden bei uns aufzunehmen ist gerechtfertigt, ja geboten. Wir betrachten die zu erwartende Strafe für Snowden als unverhältnismäßig hart. Auch das ist ein Grund ihn nicht auszuliefern.

Außerdem gebe ich es nun ganz offen zu: Snowden ist ein deutscher Spion! Selbstverständlich liefern wir deutsche Spione niemals aus. Eine NSA können wir uns nicht leisten, wir vertrauen deshalb auf die klassischen Methoden. Ich bin sicher Präsident Obama hat dafür Verständnis.

Oder um es mit seinen Worten zu sagen: Die Arbeit unserer Geheimdienste ist sehr wichtig. Natürlich sammeln sie Informationen, die man nicht in der New York Times lesen kann. Und natürlich interessieren wir uns vor einem Treffen mit Obama nicht für sein Frühstück, sondern für seine geheimen Argumentationshilfen. Wenn ich genau wissen will, was Präsident Obama denkt, rufe ich ihn ’selbstverständlich‘ direkt an.

Zwei Dinge sind nicht verhandelbar: Wir nehmen Edward Snowden bei uns auf und stellen unsere nationale Sicherheit wieder her. So put that in your pipe and smoke it.“

Das Problem ist: Merkel hat dieses Format nicht. Nicht einmal annähernd. Merkel lässt nicht Pfeife rauchen, sie wird in der Pfeife geraucht. Und so steckt Edward Snowden weiter im menschenrechtsfreien Niemandsland zwischen Russland, Ecuador, China und Venezuela fest. Und Deutschland wird weiter so regiert, wie man es von formatlosen Politikern nicht anders erwarten kann: Plan- und konzeptlos. Eine Politik ohne Eigenschaften. Ohne erkennbare positive Wertvorstellungen. Ohne ein Gefühl für nationale Sicherheit. Und mit einer sehr fragwürdigen Moral.

13 Gedanken zu „Vorschlag zum deutsch-amerikanischen Verhältnis: Freunde bleiben und Pfeife rauchen.

  1. Ich kann einfach nicht verstehen warum dieser „Fall“ so gepusht wird. Offensichtliches, lange bekanntes wird nun in der Presse breitgetreten, das Allerweltsgesicht eines blassen Jünglings ziert jedes Wurstblatt, die Geschichte drum herum wird immer grotesker, jede Äusserung unserer Politiker dazu ist an Dämlichkeit nicht zu überbieten, Obama zeigt sich (öffentlich) reuig und alles geht weiter seinen sozialistischen Gang.
    Die ganze Story ist ein abgekartetes Spiel, man könnte leicht herausfinden wovon es ablenken soll. Oder wozu es ansonsten als „hilfreich“ angesehen wird.

    Das einzig greifbare bisher ist eine unverschämte Machtdemonstration gegenüber einem südamerikanischen Präsidenten. Was läuft da ab? Der eher sozialistische Obama greift in Südamerika härter durch als sein Vorgänger? Warum jetzt?
    Aber oben im Artikel wird ein Freihandelsabkommen thematisiert. Gemeint ist jenes geplante mit der EU, aber auch in Südamerika ist dieses Thema zZ aktuell. Am Pokertisch geht es ehiss her und die Clowns drum herum sollen für Ablenkung des Verhandlungspartners sorgen? Ist jedenfalls kaum abwegiger als die offizielle Version.

    • Die ganze Story ist ein abgekartetes Spiel, man könnte leicht herausfinden wovon es ablenken soll. Oder wozu es ansonsten als “hilfreich” angesehen wird.

      Krokodil du siehst hinter sehr vielen simplen Stories eine V-Theorie.

      • V-Theorie passt hier nicht. Es ist einfach Politik. Die Geschichte wird sinnlos aufgebauscht. Wenn ich dann über die Gründe spekuliere ist es auf einmal eine VT? Kein Mensch baut Potemkinsche Dörfer ohne sich etwas dabei zu denken. Oder es ist ein komplettes Irrenhaus. Das wäre eher eine VT. („Alle irre ausser ich“)
        Die Geschichte selbst ist viel mehr eine VT, weil sie offensichtlich so nicht der Wahrheit entspricht. Wenn ich nun für mich versuche eine der dahinter stehenden Wahrheiten zu ergründen, so ist es erstmal eine Theorie, aber ohne V. (Zitat ich:“Ist jedenfalls kaum abwegiger als die offizielle Version.“)

      • Ich sehen deine VT immer noch nicht. Echter Freihandel zwischen Amerika und Europa wäre ein Traum. Je weniger Ausnahmen desto besser. Freiwilliger kapitalistischer Handel ist das einzige System, das alle Beteiligten reicher macht.

      • : wink:
        Weil es keine VT gibt.
        Es gibt Verhandlungen. (ganz) Früher hat man die Verhandlungspartner oft nur besoffen gemacht, heute läuft es etwas kreativer. Welche Interessen vertreten jeweils China und Russland, wenn es um ein solches Abkommen zwischen Europa und den USA geht? Welche Interessen vertritt Europa, wenn Gleiches mit Südamerika geplant ist?
        Wie schaffen es die USA die jeweiligen Verhandlungspartner eventuell gegeneinander zu bringen? Was kostet es die Briten an Vorteilen?
        (Sind in D eventuell bald Wahlen?)
        Gerade bei China und Russland ist es doch interessant wie die jeweiligen wechselseitigen Beziehungen zu Japan und den USA aussehen.
        Politik verläuft NICHT so wie im Fernsehen dargestellt. Das ist eine Bühne. Mit Schauspielern, Regisseuren, Putzfrauen, Beleuchtern, Souffleuren, Tontechnikern………….und natürlich den Statisten, auch gern nützliche Idioten genannt.
        Dem Publikum braucht es gar nicht gefallen. Das Eintrittsgeld wird automatisch vom Lohn abgezogen.
        Selbstverständlich wird keiner der Akteure wie Spitzer, Weiner oder hier in D zB Friedman enden wollen. Auch der „lustige“ Fall Barschel lässt grüssen.
        http://de.wikipedia.org/wiki/Schubladenaff%C3%A4re
        Die dort kursierenden „VT“ sind zB grösstenteils belegt.

        Leute, hört endlich auf zu „denken“ wie euer Fernseher!

        Ich sag ja nicht ich weiss über alles genauestens bescheid. Das bedeutet aber nicht, jede Fata Morgana für Realität zu halten. Egal ob ich sie selbst projeziere oder ein anderer.
        Nur weil wir die Welt gern etwas einfacher hätten wird sie es nicht werden.

        „Die Wahrheit“ ist doch für mich woran ich glaube, und für Dich woran Du glaubst. Und das kann sehr unterschiedlich sein, auch wenn wir gerade das selbe Bild betrachten.
        Flexibilität hilft, wenn sie nicht in Beliebigkeit abgleitet, oder wiederum zu verfestigten Standpunkten führt.

        „Freiwilliger kapitalistischer Handel ist das einzige System, das alle Beteiligten reicher macht.“

        Das es immer den etwas reicher macht der die Regeln bestimmt weisst Du aber?

      • „Echter Freihandel zwischen Amerika und Europa wäre ein Traum.“

        Vielleicht verstehe ich nicht ganz wie Du Dir „echten Freihandel“ vorstellst.
        Auf Augenhöhe geht das mE nur wenn die europäischen Staaten gleichberechtigt mit den amerikanischen Bundesstaaten wären. So ne Art USAE (United Staates of America and Europe).
        Und das bringt dann wieder die anderen (RUS, RC, IND, J, BR etc) ins Spiel.

      • Echter Freihandel ist Handel ohne Grenzen. Jedes Gut kann ohne Ein- und Ausfuhrsteuern gehandelt werden. Einen europäischen Super-Staat braucht es dazu nicht, nur ein Subventionsverbot für die gehandelten Güter.

  2. Wer putscht denn da auf? Vor allem Medien und Opposition. Denkst du die sprechen sich mit Amerika ab um die deutsche Regierung abzulenken? Oder denkst Du sie sprechen sich mit Merkel ab, Wirbel zu machen, um Amerika abzulenken? Wie stellst du Dir das vor? Eine Telefonkonferenz mit allen Zeitungen und führenden Politikern?

  3. Die Amis haben den deutschen Politikdarstellern jetzt gezeigt wo ihr Platz ist, und zwar ganz hinten im Bus, auf der hinteren Stoßstange.
    Da deutsche Politiker bekanntlich Hochverräter sind, können sie die Interessenorientierte Ami-Politik nicht begreifen.
    Schäuble und Merkel können nur Geld verschenken, und der Peer von der Opposition will noch mehr Geld verschenken.

    • DL soll froh sein, dass der Morgenthau-Plan nicht umgesetzt wurde. Im Ernst: Spiegel und SZ betreiben Ausländer-Wahlkampf, mehr nicht. Rot-Grün wurde noch vor Schwarz-Gelb von den NSA-Aktionen informiert, die Vorläufer von PRISM begannen unter Rot-Grün.

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