Alles schon vorher gewusst. Diese Tendenz ist typisch Journalisten, typisch Medien, vielleicht auch einfach typisch Mensch. Das ist aber kein Zwang. Es gibt auch Menschen, die sich im Nachhinein wenigstens hinstellen und sagen: „Ja es stimmt. Wir haben Fehler gemacht. Gewaltige Fehler. Es tut uns Leid. Wir haben unsere Fehler eingesehen und wollen es in Zukunft besser machen.“
Haben Sie eine solche Entschuldigung schon einmal im deutschen Medienzirkus gelesen? Ich noch nie. Ich lese immer nur folgende Artikel:
Bestes Beispiel ist Q-Cells. Das Unternehmen begann erst im Sommer 2011 damit, größere Teile seiner Produktion nach Malaysia zu verlagern. Dabei war zu diesem Zeitpunkt längst klar, dass die deutschen mit den asiatischen Produzenten nicht mithalten können. Entsprechende Warnungen gab es schon Jahre zuvor – und sie erforderten auch keine hellseherischen Fähigkeiten.
Nein, hellseherische Fähigkeiten brauchte man dazu wirklich nicht. Sie werden auf meiner Seite keinen Artikel finden, der sich auch nur eine Sekunde für diese lächerlichen westlichen Solar-Firmen ausspricht. Das ist keine Kunst, aber Spiegel und Spiegel Online können nicht von sich behaupten, das sie je kritisch waren. Auf hundert Spiegel-Artikel, die diese Firmen rosarot in den Himmel loben, kommt vielleicht ein einziger Artikel, der ein bisschen kritischer ist. Wenn überhaupt.
Diesen einen Artikel picken die Spiegel-Trickser dann bei Bedarf heraus und sagen: „Seht her, wir haben es schon immer gewusst.“ Den Artikel muss es nicht einmal geben. Sie sagen es auch einfach so. Siehe auch die Missbrauchsfälle durch Gaddafi.
FTD, New York Times, SZ, FR, Washington Post, ZEIT oder Guardian machen es natürlich auch nicht anders. Dabei hat sich selbst der „böse“ Sender Fox, the belly of the beast, schon mehrfach entschuldigt, wenn man seine Viewer aus Versehen verarscht hat. Vielleicht liegt da der Unterschied: Murdoch macht es aus Versehen, Augstein macht es mit Absicht und aus Überzeugung.
Essentielle Strategie dieser Dünnbrettbohrer ist dabei, dass man immer nur das feststellt, was sowieso schon längst eingetreten ist. Q-Cells ist pleite, das kann nun selbst der Spiegel nicht mehr leugnen. Mehr gibt man niemals zu. Es gilt die Salami-Taktik. Nur das zugeben, was sowieso schon offensichtlich ist. Prognosen zur Zukunft werden in den „Wir-haben-es-immer-schon-gesagt“-Artikeln plötzlich tunlichst vermieden oder später einfach wieder unter den Tisch gekehrt. So ist man immer auf der sicheren Seite, egal was kommt.