Der von mir geschätzte Blogger Arprin schrieb einen Artikel über Libertarismus. Der Artikel vergleicht mehr oder weniger den „klassischen Liberalismus“ mit dem „Libertarismus“. Hier eine wie ich hoffe beispielhafte Aussage von Arprin aus den Kommentaren, den Artikel kann jeder selbst lesen:
Roland Baader wurde nicht dem libertären Spektrum zugeordnet.
Er galt als Verfechter des klassischen Liberalismus.
Fast Arprins ganzer Artikel scheint auf dem Gegensatzpaar „klassischer Liberalismus“ vs. „Libertarismus“ aufzubauen. Dieses Gegensatzpaar ist aber sehr künstlich. In Wirklichkeit verhalten sich diese Strömungen ungefähr wie Vater und Sohn. Sie haben natürlich den einen oder anderen Unterschied, aber eben auch sehr viele erhebliche Gemeinsamkeiten. Die Gemeinsamkeiten überwiegen dabei deutlich.
Ein Artikel, der sich nur mit echten oder angeblichen Unterschieden beschäftigt, wird der Thematik nicht gerecht. Arprin verzerrt die Verhältnisse.
Es ist nicht übertrieben unrealistisch davon auszugehen, dass von Mises sich heute libertär nennen würde. Man spricht nicht umsonst vom „klassischen Liberalismus“, denn was heute unter dem Begriff „Liberalismus“ in den westlichen Parlamenten sitzt, hat mit von Mises kaum noch etwas zu tun. Die meisten Ideen von von Mises werden heute vom Libertarismus verfolgt.
Menschen wie Roland Baader trennten, soweit ich weiß, nicht wirklich zwischen „klassischen Liberalen“ und „Libertären“. Baader sprach oftmals nur von „Austrians“, also von Vertretern der österreichischen Schule. Von Ron Paul war Baader bekanntlich sehr angetan. Auch von Lew Rockwell. Auch von Jörg Guido Hülsmann. Man schaue sich zum Beispiel eines seiner allerletzten Videos an. Ab Minute 10:25.
Cherry Picking Straw Man
Was Arprin macht ist cherry picking. Auf der einen Seite präsentiert er den „klassischen Liberalismus“ mit allerlei positiven Eigenschaften, gegen die er nichts zu haben scheint. Auf der anderen Seite wird der „Libertarismus“ aufgebaut, der bei Arprin alle Eigenschaften aufgedrückt bekommt, die man an diversen liberalen und libertären Strömungen kritisieren kann.
Eine weitere Technik, die Arprin anwendet, ist das Strohmann-Argument. Arprin erklärt sehr breit eine relativ singuläre, extreme Strömung des Libertarismus wie sie von Hans-Herrmann Hoppe vertreten wird und präsentiert diesen Hoppe’schen Speziallibertarismus dann als den gängigen Libertarismus. Das sind natürlich Techniken, die in einer fairen Darstellung wenigstens ehrlich erläutert werden sollten.
Dass Arprin gerne Strohmann-Argumente benutzt, ist mir schön häufiger aufgefallen. So wollte ich ihn zum Beispiel auf seine eigentümliche Argumentationsweise aufmerksam machen, worauf er dann meinte:
Ich denke, du wendest hier Doppelmoral an. Würdest du weiter Broder, Maxeiner, Miersch, Böss, Harnasch loben, wenn sie antisemitisches Gedankengut a la Gabriel/Grass verbreiten würden? Ich denke nicht. Wenn ein Libertärer oder irgendjemand, der irgendwie etwas gegen Linke gesagt hat, das tut, machst du Ausnahmen.
Auch das ist ein Strohmann-Argument. Mir werden Positionen unterstellt, die ich nie geäußert habe. Antisemitisches Gedankengut würde ich nie verteidigen, völlig egal wer sich so äußert.
So macht Argumentation keinen Spaß und keinen Sinn, wenn man Positionen unterstellt bekommt, die mit der Realität nicht wirklich etwas zu tun haben. Ich hoffe, ich habe Arprins Artikel richtig dargestellt. So wirkt der Artikel jedenfalls auf mich.
Kritik am Libertarismus ist bei mir jederzeit willkommen. Aber bitte realitätsbezogen und fair. Es ist eben nicht so, dass ich den Libertarismus verharmlose. Das Gegenteil ist der Fall. Es scheint mir eher so zu sein, dass Arprin den „klassischen Liberalismus“ verharmlost. Arprin setzt dem „klassischen Liberalismus“ so eine Art Heiligenschein auf und alles was man an der Denkrichtung klassischer Liberalismus/Libertarismus kritisieren kann, schiebt er einseitig auf den Libertarismus ab.
Porträts in Kürze zum Weiterlesen
Über von Mises, Hayek und Friedman hat die Wirtschaftswoche aktuell lesenswert geschriebene Porträts online. Über von Mises steht dort allerdings auf der letzten Seite:
Nach Mises’ Tod 1973 hat dessen Schüler Murray Rothbard die Österreichische Schule auf die Spitze getrieben. Er entwickelte einen naturrechtlich begründeten Liberalismus, der sogar staatliche Institutionen ablehnt. Das 1982 gegründete Ludwig-von-Mises-Institut in Auburn im US-Bundesstaat Alabama steht in der Tradition der Rothbard’schen Interpretation des Werkes von Mises. Das politische Pendant zu Rothbards radikal-libertärem Anarchokapitalismus ist in den USA die Tea-Party-Bewegung.
Auch hier wird die Tea Party mit Anarchokapitalismus gleichgestellt, die mit von Mises nicht mehr viel zu tun habe. So wird es jedenfalls angedeutet. Warum diese Zuspitzung nicht gerechtfertigt ist und was Menschen wie Ron Paul eigentlich wirklich konkret wollen, dazu mehr in meinem nächsten Artikel.
1. Die Unterschiede zwischen klassischen Liberalismus und Libertarismus sind mehr als offensichtlich. Weder Mises, Hayek noch Baader haben die Abschaffung des Staates gefordert. Sie haben sich klar für den Staat ausgesprochen. Das klassich Liberale und Libertäre oft übereinstimmen, liegt daran, das sie gleiche ökonomische Vorstellungen vertreten. Aber in ihren Staatskonzepten unterscheiden sie sich deutlich.
2. Ich verstehe nicht, was du mit „Strohmann-Argumentation“ meinst. Ich habe den Libertarismus kritisiert und mich dabei nicht nur auf einen, „schlechten“ Punkt beschränkt. Aber selbst wenn ich es getan hätte, wäre es noch immer kein Strohmann. Es ist ja auch kein Strohmann, wenn man Selbstmordattentate, Ehrenmorde oder Zwangsheiraten im islamischen Kulturkreis kritisiert, ohne den Koran zu analysieren. Viele Libertäre sind antisemitisch und homophob, allein das reicht aus, um ihn zu kritisieren. Hoppe sagte: „In einer libertären Sozialordnung kann es keine Toleranz gegenüber Demokraten und Kommunisten geben.“ Das ist wohl eine klare Aussage. Auch die Toleranz von „schwulenfreien“ oder „katholikenfreien“ Zonen(!) ist nichts weiter als die Toleranz von Apartheid, wie wir sie in den südafrikanischen Homelands oder in Hebron haben.
3. Ich sagte nicht, dass du antisemitisches Gedankengut verteidigst. Im Gegenteil! Ich sagte: „Würdest du weiter Broder, Maxeiner, Miersch, Böss, Harnasch loben, wenn sie antisemitisches Gedankengut a la Gabriel/Grass verbreiten würden? ICH DENKE NICHT.“
Das ist interessant, dass du diesen Punkt wiederholst. Das ist ja ein zentraler Kern deines Artikels, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Dort steht ja auch:
Diese Linienziehung ist aber extrem künstlich. Es gibt nur sehr wenige Libertäre, die einen Nullstaat wollen. Ron Paul will keinen Nullstaat. Das einflussreiche Cato-Institut will keinen Nullstaat.
Mir fallen außer extremen Anarchokapitalisten keine Libertären ein, die einen Nullstaat wollen. Die Strömung der Anarchokapitalisten steht häufig auch Regierungen, Parteien, Demokratien und Wahlen an sich sehr kritisch gegenüber. Alles was zu „Machtkonzentration“ führt, lehnen diese Leute ab. Dadurch ist ihr Organisationsgrad und ihre Macht von vorneherein limitiert. Zu nennen wäre hier dein Strohmann Hoppe. Der Mann schreibt aus seiner Außenseiterposition heraus Bücher, die zum Nachdenken anregen sollen. Mehr nicht. Du machst ihn aber zum Kernideologen des Libertarismus. Das geht nicht. Das nennt man Strohmann-Argumentation. Das haben jetzt schon mehrere Kommentatoren auf ähnliche Art und Weise versucht klarzumachen, aber irgendwie ist es immer noch nicht angekommen.
Die gängigen Libertären wollen wie die „klassischen Liberalen“ einen möglichst kleinen Staat. Ron Paul spricht in dieser Hinsicht immer von „small government“. In Wirklichkeit liegen ein Ron Paul und ein Roland Baader zum Beispiel gerade in der Staatsfrage sehr eng beieinander. Hast du jemals Bücher von diesen beiden gelesen?! Sei einmal ehrlich.
Roland Baader: Ja. Ron Paul nein.
„Hoppe sagte: “In einer libertären Sozialordnung kann es keine Toleranz gegenüber Demokraten und Kommunisten geben.” Das ist wohl eine klare Aussage. “
Ja. Damit dürfte gemeint sein, das eine libertäre Sozialordnung nicht zulassen darf, das sie durch z.B. Kommunisten abgeschafft wird.
Das ist für mich vergleichbar mit der legitimen Aussage, das die Demokratie (der demokratische Rechtsstaat) Gruppen und Ideologien, wie Nazis, Kommunisten, Islamisten etc. etc. .die ihn abschaffen wollen, nicht zulassen muß.
„Auch die Toleranz von “schwulenfreien” oder “katholikenfreien” Zonen(!) ist nichts weiter als die Toleranz von Apartheid, wie wir sie in den südafrikanischen Homelands oder in Hebron haben“
Das halte ich für ein ziemlich seltsames „Argument“. Mal ganz abgesehen davon, das ich nicht grade die antisemitische Terminologie von der Apartheid in Hebron übernehmen würde.
Natürlich würden sich in einer freien Gesellschaft solche Gruppen bilden. Bleibt die Frage: Warum denn auch nicht? Bzw. warum sollten sie das Recht dazu nicht haben, solange es gewaltfrei und im Rechtsrahmen verläuft?
Die Alternative wäre doch konsequenterweise ein aufgezwungenes „“jeder darf in jeder Gruppe mitmachen, wenn er will“, die Meinung und Einstellung der Gruppenmitglieder zählt irgendwie nicht.Warum sollte deren Meinung und Einstellung weniger Gewicht haben?
Ist es auch Apartheid, wenn eine Stammtisch-Männerfußballmannschaft keine Frauen als Spieler haben will?
Oder die Altherren-Mannschaft von TUS Diefenbach-Wumpe nur dort geborene Spieler aufnimmt?
Nein? Ja? Wo genau ist denn Schluß?
Der vollständige Satz von Hoppe lautet: „In einer libertären Sozialordnung kann es keine Toleranz gegenüber Demokraten und Kommunisten geben. Sie müssen aus der Gesellschaft PHYSICH ENTFERNT und ausgewiesen werden.“
Und mit Apartheid in Hebron meinte ich natürlich die Apartheid, in der Juden leben müssen. Darauf hätte man ja auch kommen können, wenn man bedenkt, dass ich zuvor „antisemitisches Gedankengut a la Gabriel/Grass“ angesprochen hatte.
Und du willst doch nicht wirklich eine Altherren-Mannschaft mit No-Go-Areas oder „befreiten Zonen“ vergleichen, oder? Es gibt Verbände und Vereine, die darüber entscheiden können, wen sie aufnehmen, aber man kann Menschen doch nicht aufgrund ihrer Ethnie, Religion usw. nicht aus bestimmten Territorien ausschließen. Das nenne ich Apartheid.
„aber man kann Menschen doch nicht aufgrund ihrer Ethnie, Religion usw. nicht aus bestimmten Territorien ausschließen.“
Doch, aus dem Territorium meiner Wohnung. In einer libertären Gesellschaft ist Land Privateigentum, und das natürlich nicht in solch extremen Formen, dass fast ein ganzer Kontinent einem einzigen Eigentümer USA gehört, sondern aus sehr vielen kleinen Eigentümern. Was dagegen einzuwenden ist, wenn ein solcher Eigentümer auf seinem Land wen auch immer ausschließt, kann ich nicht verstehen.
Apartheit wird nur ein Problem wenn Staaten sie mit Gesetzen erzwingen, und sie deswegen gleich im ganzen Land gilt.
Das sehe ich auch so.
Der Artikel war einerseits eine Kritik an der anarchokapitalistischen Strömung bei den Libertären, andererseits eine Auseinandersetzung mit den rassistischen und antiwestlichen Ausfällen in der ganzen Szene, zu den du bis jetzt kein Wort verloren hast.
Anstatt „Libertarismus“ hätte ich auch „Anarchokapitalismus- Eine totalitäre Ideologie?“ als Überschrift nehmen können. Aber dann hätte ich nicht die Libertären ansprechen können, die keine anarchokapitalistische Strömung vertreten, aber mit rassistischem und antiwestlichem Gedankengut auffallen. Bei den Libertären sind diese Ausfälle zu krass, um sie komplett zu ignorieren.
Man darf auch mal Personen kritisieren, mit denen man ansonsten übereinstimmt, ob nun Ortner, Miersch (PS: Ich warte noch immer auf deinen Vogelschredder-Antwort-Artikel) oder Broder wenn es sein muss. Ich bin auch nicht mit allem d’accord, was Baader geschrieben hat. Meistens sind es ja nur Kleinigkeiten.
Das mag deine Meinung sein. In Wahrheit sprichst du zu 90% über Hoppe und Lichtschlag. Diese Leute interessieren mich schlichtweg zu wenig. Das sind nur Randfiguren und Querdenker des Libertarismus.
Zu Ron Paul habe ich allerdings schon oft meine Meinung gesagt. Der Mann ist ganz klar anti-israelisch und nach meinem Dafürhalten auch antisemitisch. Der Teil deines Artikel über Paul ist sehr treffend. Aber leider kommt er erst nachdem man sich durch etliche Hoppe-Absätze quälen musste. Du hättest mehr zu Ron Paul schreiben sollen. Der Mann ist wirklich eine zentrale Gallionsfigur des Libertarismus.