Öl-Embargo Iran und linke Medien

Die taz schreibt über die Sanktionen gegen den Iran. Die Einleitung zum Artikel endet mit den Worten: „Doch ein Ölboykott trifft das Land kaum.“ Als einfacher Leser weckt diese steile These eine ganz naive Erwartungshaltung in mir: Die Begründung der These im nachfolgenden Text. Argumente wären zum Beispiel nett. Antworten auf die Frage: Warum trifft ein Ölembargo den Iran kaum?


Was also steht im Text, wir sind gespannt. Die Antwort ist nicht überraschend: Nichts! Keine Begründung, kein Beleg, kein Argument, gar nichts. Nade, niente, nothing. Vielleicht ein Satz, wenn man großzügig ist: „Tatsächlich geht nur ein sehr kleiner Teil der iranischen Exporte in die EU.“ Was „sehr kleiner Teil“ bedeutet, sagen die taz-Menschen nicht. Dafür liefert die taz die „Quelle“ für ihre Behauptung im nächsten Satz:

Der Boykott läuft deshalb nach Ansicht der iranischen Regierung ins Leere. „Das Embargo wird keine Auswirkungen auf den Iran haben“, sagte der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik, Alaeddin Borujerdi, am Montag der iranischen Nachrichtenagentur Isna.

Khamenei-Anhänger und Regime-Politiker Alaeddin Boroujerdi lässt verlauten das Embargo sei kein Problem, also ist die Sache für die taz klar. Wäre das Embargo für das Regime ein Problem, würde es das ja offen zugeben. Das ist logisch.

Auch der Spiegel entblödet sich mal wieder komplett und schreibt das Öl-Embargo wäre „zum Wohle der Revolutionswächter“. Ganz so als würden nicht die Revolutionsgarden vom aktuellen Öl-Export profitieren, sondern Mutter Theresa.

Die deutsche „Volksstimme“ aus Magdeburg sieht fremde Mächte am Werk.
Wer das wohl sein kann? Drei Mal darf geraten werden:

Die Iran-Politik der EU wird von den USA gesteuert. Und das bedeutet, dass sie nicht zu Entspannung und Wandel im Iran beitragen wird. […] Das EU-Embargo wird dafür sorgen, dass die Falken im Iran im Aufwind bleiben. Die Opposition im Land, auch die zivilen Kräfte in der Führungselite, beklagen schon lange, dass sie immer dann geschwächt werden, wenn der Westen sich dem Feindbild angleicht, das die Hardliner im Iran zeichnen. Die Politik von USA und EU sollte auf Wandel durch Annäherung setzen.

Wandel durch Annäherung. Sehr gut! Damit hat schon Herbert Frahm Deutschland wieder vereinigt und nicht etwa ein mörderisches Regime über Jahrzehnte künstlich beatmet. Ronald Reagan hätte sich ein Beispiel an Frahm nehmen sollen. Dann müsste sich die Magdeburger Volksstimme heute auch nicht so lästig am freien Markt bewähren, sondern wäre immer noch SED-Organ. Monopolist sind sie allerdings noch immer. Vielleicht ist das ja der vielbeschworene „Wandel durch Annäherung“.

Wer von diesen „Fakten“ genug hat, hier mal paar echte Fakten zum Öl-Embargo:

1. Es geht nicht nur ein „sehr kleiner Teil“ der iranischen Exporte in die EU, wie die taz behauptet, sondern es sind ca. 20%. Die EU ist zweitgrößter Abnehmer hinter China!

2. Wenn ein so großer Teilnehmer wie die EU komplett ausscheidet, sinkt alleine dadurch der Preis. Der Iran bekommt deutlich weniger für sein Öl.

3. Nicht nur der Preis sinkt, sondern auch die Menge. Iranisches Öl ist sehr schwefelhaltig. Nur moderne Raffinerien können iranisches Öl zu Treibstoff verarbeiten. Die westlichen Abnehmer können also nicht ersetzt werden.

4. Auch der größte Abnehmer China hat seinen Anteil von fast 25% schon im Dezember um die Hälfte gesenkt.

10 Gedanken zu „Öl-Embargo Iran und linke Medien

  1. Aus der von dir selbst verlinkten Grafik ist ersichtlich, dass die Erlöse aus dem Öl-Export von Jahr zu Jahr je nach Ölpreis enorm schwanken. Das ist in allen Exportländern so. Diese Länder sind enorme Budget-Schwankungen gewöhnt.

    Der Import Chinas aus dem Iran ist alleine letztes Jahr um 30% gestiegen und jedes Jahr steigt der chinesische Ölverbrauch um 500.000 Barrel/Tag, also den Anteil der EU-Importe im Iran.

    Soweit ich weiß gilt das Embargo auch nur für zukünftige Verträge. Öl hat kein Mascherl und steckt direkt und indirekt in unzähligen Produkten drin und kann vielfältig eingesetzt werden.

    Der Ölpreis liegt bei 110% und seit 2005 ist der Ölmarkt ein Verkäufermarkt. Es wird also jede Menge Nachfrage geben, die die der EU ersetzen wird.

    Das drakonische Öl-Embargo im Irak hat auch nichts gebracht. Der Iran hat weder eine nennenswerte ethnische Opposition und die Grüne Oppositionsbewegung will selbst die Bombe.

    Das Öl-Embargo könnte eher für den Westen große wirtschaftliche Konsequenzen haben:
    http://www.econbrowser.com/archives/2012/01/iranian_oil_emb.html

    ****

    Die deutsche Presse, ob links, oder nicht, lag mit ihren negativen Vorhersagen zum Irak-Krieg und dem Afghanistan-Krieg goldrichtig.

    • Seit wann dutzen wir uns? Ich glaube wir bleiben besser beim Sie.

      Der Ölpreis liegt bei 110%…

      Ich glaube Sie meinen Dollar und nicht Prozent. Außerdem ist es missverständlich, wenn Sie schreiben „der Ölpreis“. Normalerweise meint man mit dem Ölpreis unser West Texas Intermediate. Das ist immer noch der Standard. WTI liegt momentan bei 99$. Die europäische Nordsee-Sorte Brent liegt momentan bei 110$, wenn Sie das meinen. Was soll das nun bedeuten? Ist das viel für Sie oder wenig? Das wirklich Interessante am Ölpreis ist momentan die Differenz WTI zu Brent. Das ist eine aktuelle Anomalie, die man nicht so einfach erklären kann, denn qualitativ besteht zwischen WTI und Brent kein wirklicher Unterschied.

      …und seit 2005 ist der Ölmarkt ein Verkäufermarkt.

      Ja sicher und seit 2007 gab es auch keine Weltwirtschaftskrise mit gewaltigen Abstürzen, ist klar. Sie sind so ein typischer Ölpreis-Bulle. Was mich bei diesen Leuten immer wundert: Warum setzen Sie ihr „Wissen“ nicht um? Gehen Sie an die Börse, wetten Sie auf explodierende Ölpreise und werden Sie reich. Ist doch ganz einfach! Ich halte es da allerdings mit dem großen Julian L. Simon, Sie verzeihen mir.

      Es wird also jede Menge Nachfrage geben, die die der EU ersetzen wird.

      Punkt zwei und drei meines Textes erklären genau, warum die EU eben nicht ersetzt werden kann.

      Die deutsche Presse, ob links, oder nicht, lag mit ihren negativen Vorhersagen zum Irak-Krieg und dem Afghanistan-Krieg goldrichtig.

      Mir fallen keine „Vorhersagen“ der deutschen Presse ein. Vielleicht können Sie ja Beispiele nennen und am besten belegen. Ich behaupte die deutsche Presse lehnt sich ungern aus dem Fenster. Weder Fisch noch Fleisch. Spontan fallen mir nur die typischen Äußerungen der deutschen Presse ein, die sie zu jedem Krieg anführen: Überzogen, verfassungswidrig, völkerrechtswidrig. Lasst die Taliban, Husseins, Gaddafis und Assads doch bitte weiter schlachten. Das eine imperialistische Weltverschwörung Amerikas. Die wollen nur das Öl. So nach dem Motto.

      • „Seit wann dutzen wir uns? Ich glaube wir bleiben besser beim Sie.“
        Looks like you’ve become more german than the Germans.

        Meine Informationen beziehe ich von http://theoildrum.com/
        Leider gibt es dort zum Ölembargo noch keine Analyse.

        Der Konsens in der Peak-Oil community ist, dass die Preise stark fluktuieren werden. Ich bin also kein Ölpreis-Bulle. Wenn, dann müsste ich auf Volatilität spekulieren. Das ist mir aber zu komplex. Damit kenne ich mich nicht aus und außerdem ist das Kontrhentenrisiko für mich nicht einschätzbar. Was Derivate im Falle des Falles wert sind, haben wir ja beim AIG-Debakel gesehen.

        Zu 2.) Wenn der Iran 2006 und 2009 mit 57 Mrd Dollar ausgekommen ist, warum sollte er das nicht auch 2012 können?

        Der Iran hat einen Schuldenstand von lediglich 16% des BIP.

        Zu 3.) Man muss Öl nicht zu hochwertigem Treibstoff verarbeiten. Man kann DÜngemittel draus machen (da braucht man den Schwefel sogar), in Kraftwerken oder der Industrie verheizen und Schiffsdiesel oder Dieselgeneratoren damit betreiben, denen der Schwefelgehalt egal ist und vieles mehr.

        Im übrigen liegt der Schwefelgehalt iranischen Öls laut Wikipedia im mittleren Bereich. Das Öl Venezuelas ist viel schwefelhältiger und hat auch genügend Abnehmer. Venezuela wäre auch eine für den Iran naheliegende Zwischenstation, um Öl außer Landes zu schaffen.

        So ein Teilembargo ist löchrig wie ein Schweizer Käse.

        ****

        Die deutsche Presse hatte den Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten vorhergesehen, die Schwierigkeit, Afghanistan dauerhaft zu besetzen und dass die USA nicht als Befreier wahr genommen und als Besatzer bekämpft würden.

      • Looks like you’ve become more German than the Germans.

        Das ist ein typisches Missverständnis. Nur weil wir kein „Sie“ haben, heißt das noch lange nicht, dass wir mit jedem per Du sind. Das „You“ ist nicht dem deutschen „Du“ gleichzusetzen. „You“ sagt einfach nichts aus über persönlichen Abstand. Wenn Sprachen nach Du/Sie unterscheiden, dann nutze ich das natürlich. Ich denke das ist nicht unhöflich, oder?

        Der Konsens in der Peak-Oil community ist, dass die Preise stark fluktuieren werden.

        Anders ausgedrückt: Die Preise werden sich immer wieder ändern. Für solche Erkenntnisse braucht man aber nicht unbedingt eine „Peak-Oil community“.

        AIG

        AIG ist eine Versicherung. Deren „Derivate“ kauft sich der Normalbürger nicht. (Nur deutsche Städte). Mit AIG kann ein normaler Bürger auch schlecht auf Öl spekulieren. Vielleicht meinen Sie ja Lehman.

        Ich lasse diese sinnlosen Scharmützel jetzt mal und komme zum Punkt: Die Alternativen. Die Deutschen haben nie Alternativen. Nur kluge Sprüche vom bequemen Sofa aus, warum etwas angeblich nicht funktioniert. Im Fall Iran hieße das: Kein Öl-Embargo, keine Sanktionen.

        Das sollte das neue Motto der EUdSSR werden.
        Liebe Feinde, liebe heimlichen Freunde, wir versuchen erst gar nicht euch aufzuhalten, denn es bringt sowieso nichts.

        Am Besten ins Lateinische übersetzt, das gibt mehr her.

      • Auf anonymen Blogs und Kleinblogs ist es absolut unüblich, sich zu Siezen oder gar das „Sie“ einzufordern.

        Peak-Öl und Preisschwankungen:
        Der Konsens ist, dass es keinen swing producer mehr gibt und somit weder OPEC noch Russland den Ölpreis kontrollieren oder stabilisieren können. Saudi-Arabien könnte die Produktion zwar kurzfristig erhöhen, würde damit aber seine Ölfelder nachhaltig schädigen.
        Wenn zuviel Wasser in ein Ölfeld hinein gepumpt wird, um mehr Öl heraus zu drücken, dann kann das zur Emulsion führen.

        Hier ist ein kurzes Video aus dem Jahr 2007, das die Thematik mit den durch Nachfrage induzierten Preisschwankungen bei fixem Angebot erklärt. Das war also vor dem Preisrekord 2008 und dem anschließenden Crash durch die Rezession.

        AIG:
        AIG konnte die credit default swaps nicht bezahlen. Zertifikate sind eben nur ein Papier mit Unterschrift.

        Iran:
        Ich bin Österreicher und für uns gilt das Motto „Die Lage is hoffnungslos, aber nicht ernst“.

        Der Iran ist meiner Meinung nach vergleichbar mit dem Ostblock in den 70ern. Teile der Elite glauben noch halbherzig an ihre revolutionäre Mission, das Volk aber lange nicht mehr. Bis die Eliten mittelfristig in Pension gehen bzw. auch den Idealismus aufgeben und nur mehr an ihr materielles Interesse denken, gibt es noch eine kritische Phase.

        Einem echten Ölembargo, im Gegensatz zum symbolischen Pseudoembargo, gebe ich eine gewisse, aber geringe Erfolgswahrscheinlichkeit. Wenn man aber wirklich sicher verhindern will, dass der Iran eine Bombe baut, dann bleibt nur eine Alternative: Einmarschieren.

        Die deutsche Presse war genauso wie die amerikanische in Sachen arabischer Frühling naiv und optimistisch eingestellt. Der vorhersehbare Aufstieg der sunnitischen Islamisten ist für die nächsten Jahrzehnte das größte Problem.

        Nebenbei hat der arabische Frühling den Iran geschwächt und ihm den Führungsanspruch in der islamischen Revolution und im Kampf gegen Israel entrissen.

        P.S.: Die „EUdSSR“ ist für das Embargo. Ich verstehe diesen Seitenhieb nicht.

      • Streichen Sie meinetwegen EU(dSSR) und ersetzen es durch europäische Medien bzw. ihr persönliches Argumentationsmuster.
        Ich denke wir haben jetzt alle Argumente abgegrast und alle Nebenschauplätze auch.

  2. ausgerechnet wenn es um das iranische Atomprogramm geht, fordern die größten Atom-Paranoiker Gelassenheit ein:

    Israel solle sich aufgrund der Logik der gegenseitigen atomaren Abschreckung nicht vor der Bombe der Mullahs fürchten.

    wenn diese Logik beim zutiefst unlogischen Mullah-Regime doch nicht funktionieren sollte, wird man die Israelis als tote Juden wieder ins Herz schließen.

    und 1.000 mal beschwören, man werde beim nächsten Mal den „Anfängen wehren“

    • Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Die deutschen Medien sind normalerweise die größten Atomphobiker der Welt. Aber wenn es um den Iran geht, sind viele Medien nicht selten gemäßigt. Viele Medien sehen sich immer noch als Vertreter des „Antiimperialismus“, deshalb ist das rechtsextreme, theokratische Mörderregime im Iran für diese Leute kein rechtsextremes, theokratisches Mörderregime, sondern einfach nur ein idyllisches Fleckchen Erde über das man neutral bzw. mit Wohlwollen berichtet.

  3. „20%“ sind aus der Perspektive dieser edlen Seelen stets eine quantité negligeable. Akzeptable Anteile liegen hier traditionell bei „99,99%“.

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