Was ist eigentlich Basisdemokratie, Herr Gabriel?

Gerade habe ich mir noch einmal das mittlerweile berühmt gewordene Interview von Marietta Slomka mit Sigmar Gabriel angeguckt. Es wurde am 28.11.2013 im ZDF heute journal gesendet. Das Video kann man sich am Ende meines Artikel angucken oder man benutzt diesen Link zum Original.

Der Hintergrund ist bekanntlich folgender: Die deutschen Sozialdemokraten führen momentan einen Mitgliederentscheid durch, in dem die Mitglieder laut Sigmar Gabriel „entscheiden, ob der SPD-Parteivorstand mit der Union einen Koalitionsvertrag eingehen soll oder nicht“. Entsprechend angespannt ist Gabriel, denn ein „Nein“, will er auf keinen Fall.

Da deutsche ÖRF-Sendungen oft nach einigen Wochen aus dem Internet verschwinden, habe ich mal wieder ein Transkript erstellt. Man muss das Transkript nicht lesen, wer das Interview noch halbwegs im Kopf hat, kann auch gleich zu meiner Analyse weiter unten springen.

—– Transkript Anfang —–

Slomka: Guten Abend, Herr Gabriel.

Gabriel: (lächelnd) Guten Abend, grüß‘ Sie. (Gabriel lächelt)

Slomka: Sie haben jetzt mit vielen Parteimitgliedern, mit der wirklichen Basis heute diskutiert und gesprochen, und wenn man da zugehört hat, hat man gemerkt, da gibt’s schon auch noch einigen Gegenwind.

(Gabriels Blick verfinstert sich, das Lächeln ist verschwunden)

Slomka: Also ein Selbstläufer wird das wohl nicht, diese Mitgliederbefragung, oder?

Gabriel: Also dann müssen Sie hier eben nicht zugehört haben, wenn Sie diese Meinung haben. (verächtlich lachend) Hier gab’s ne große Zustimmung zu dem was wir machen, aber das hat man vielleicht in Mainz nicht hören können.

Slomka: Doch ich hab‘ da schon auch Mitglieder gehört, die gesagt haben, ich kann dem nicht zustimmen, weil zum Beispiel der Mindestlohn nicht schnell genug kommt. Sie haben sehr lange darum werben müssen, dass ihre Parteimitglieder verstehen, dass es eigentlich keine Alternative gibt, dass zum Beispiel eine Minderheitenregierung nicht in Frage kommt, wenn das alles so klar wäre, dann müssten Sie sich diese Mühe doch gar nicht geben da jetzt um Überzeugung zu kämpfen.

Gabriel: Na also erstens finde ich es angemessen, dass man Mitgliedern so was erklärt. Eh und zweitens: Wenn die Gewerkschaften, wenn die IG Metall, wenn ver.di, wenn der DGB den SPD-Mitgliedern empfiehlt, sie sollten zustimmen, dann scheint das ja nicht ganz blöd zu sein, was wir machen und wenn der FDP-Vorsitzende Herr Lindner erklärt der Koalitionsvertrag sei ein sozialdemokratisches Programm, dann scheinen wir ja nicht alles falsch gemacht zu haben. Ich mach‘ mir überhaupt keine Sorgen, natürlich gibt’s Fragen dazu, das ist doch logisch, das wär‘ ja auch komisch, wenn’s keine gäbe, aber jedenfalls hier in Hessen, hier sind fast 1000 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten versammelt, das war ’ne richtig fröhliche Veranstaltung. Und ich finde das ist richtig gut, was wir hier machen, das wird die SPD zusammenführen. Wir kriegen, wir haben inzwischen über zweieinhalbtausend Neueintritte, weil die Leute merken, bei uns kann man bei der Politik nicht nur mitdiskutieren, sondern auch mitbestimmen, ich finde das ist ’ne tolle Stimmung in der SPD.

Slomka: Stichwort „in der Politik mitbestimmen“. Eine solche Mitgliederbefragung nach Koalitionsverhandlungen, das ist ja ein Novum, das hat es noch nicht gegeben und es gibt durchaus verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, ob sich das eigentlich mit unserer parlamentarischen-repräsentativen Demokratie verträgt. Haben Sie sich, als Sie sich für diese Basisentscheidung entschieden haben, sich solche Gedanken, solche verfassungsrechtlichen Gedanken eigentlich gemacht?

Gabriel: Ne, weil’s ja auch Blödsinn ist. In der Verfassung steht, stehen die Parteien drin, sie sollen an der Willensbildung des deutschen Volkes teilnehmen. Es gibt ein Parteiengesetz, das uns zur innerparteilichen Demokratie verpflichtet, und das Parteiengesetz lässt und natürlich offen wie wir das machen. Und wieso soll eigentlich direkte Demokratie in einer Partei verboten sein? Den Verfassungsrechter, der so was behauptet, (lachend) den würde ich gerne mal kennen lernen.

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Keine Moschee am Ground Zero

Eine Replik auf einen Artikel von Gerd Buurmann.

Als erstes eine formale Kritik. Viele Menschen glauben leider, man könne in einem Text plötzlich Schimpfwörter benutzen, nur weil der Text in einer anderen Sprache geschrieben wird. Das ist ein Irrtum. Schimpfwörter gehen im Amerikanischen noch viel weniger als im Deutschen. Ein Amerikaner, der Buurmanns Text liest, wird schon beim ersten Satz die Stirn runzeln.

Punkt zwei ist der Inhalt. Andere Leser haben schon viele Punkte genannt.

Der Demonstrant will nicht das First Amendment abschaffen. Er will nur keine Moschee am Ground Zero. Für mich ist das der normalste Wunsch der Welt. Ich will auch keine katholische Kirche in Machu Picchu, keine Synagoge über der Kaaba, keine Truman-Statue in Hiroshima, keine Siegessäule in Auschwitz, kein Triumphbogen in Hanoi und keine anglikanische Kirche auf dem Uluru. Das ist eine Frage des guten Geschmacks. Das hat ganz viel mit Respekt zu tun. Wie kann man das nicht begreifen? Ein ewiges Rätsel.

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Von Parasiten und Wirtstieren

Wieder mal ein kleines Rätsel. Eher eine Satire. Eine Realsatire gar.
Die Namen habe ich neutralisiert, damit man die Epoche nicht erkennt:

Das Volk würde liebend gern den Banken wieder zu dem Ansehen verhelfen, das sie einmal hatten. Als man sie nämlich noch als Geldverleiher bezeichnet hat. Ein dreckiges Handwerk, das ein ehrbarer Christ nicht ausüben wollte.

Als die XX und XY dieses Landes bei Hofe noch den Dienstboteneingang nehmen mussten statt als Duzfreund der Herrscher an der Tafel zu sitzen. Das dürfen sie nämlich erst seit sie Kaisern und Königen die Wahlkämpfe finanzieren und dafür das Monopol auf den Silbertaler gefordert und bekommen haben.

Wäre der Herrscher wirklich opportun gegenüber seinem Volk dann verlöre er die Gunst der Geldverleiher. Seine Macht ist nur geliehen, meine Damen und Herren.

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Über Naturhaarfarben und lupenreine Demokratien

Ein Mann trat vor einigen Tagen einem Gerücht entschlossen entgegen. Dieses Gerücht ist natürlich falsch und deshalb werde ich es auch an dieser Stelle nicht weiter ausbreiten. Ist ja Ehrensache.

Ein Hamburger Radiosender hatte dieses Gerücht öffentlich gemacht und durfte dem Anwalt des Mannes sogleich eine Unterlassungserklärung abgeben.

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Das ist jetzt vielleicht ein bisschen billig, aber es wird auch mal wieder Zeit, finde ich. (via überschaubare Relevanz)

Das ist nicht billig, das ist genial. Hier weiterlesen.

Mathis Gothart Grünewald 023

Best of Osama Groupies III

Als Christin kann ich nur sagen, dass es kein Grund zum Feiern ist, wenn jemand gezielt getötet wird.
(Katrin Göring-Eckardt zur BZ)

Die dpa hat noch mehr Moralisten gesammelt:

Die Erklärung Merkels ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sowie politisch und moralisch untragbar.
(Hans-Christan Ströbele)

Der Tod eines Menschen ist für einen Christen niemals Grund zu Freude.
(Vatikan-Sprecher Federico Lombardi)

Man kann sich als Mensch und erst recht nicht als Christ über den Tod eines Menschen freuen.
(Militärbischof Franz-Josef Overbeck)

Noch mehr Overbeck: Atomkraft und Schwule.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages weiß auch noch was:

Das sind Rachegedanken, die man nicht hegen sollte.
Das ist Mittelalter.

Eine willkürliche Tötung ist nach dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Freiheiten nicht erlaubt. Es besteht eine außerordentlich schwierige rechtliche Gemengelage, die differenziert aufgearbeitet werden muss. Das Prinzip, der Zweck heiligt die Mittel, ist keine juristische Grundlage. Wir brauchen genaue rechtliche Regeln. Hier sind die Vereinten Nationen gefordert, endlich verbindliche Regeln zu schaffen.
Es muss glasklar sein, was geht und was geht nicht.
(Siegfried Kauder zur Passauer Neuen Presse)

Die investigativen Übersetzungsexperten der SZ sind auch wieder am Werk.
Zum Beispiel Olivier Das Gupta. Ja der Mann heißt, wie er übersetzt:

„After a firefight, they killed Osama bin Laden“ – so hat es Obama selbst in seiner Rede an die Nation ausgedrückt:
„Nach einem Feuergefecht töteten sie Osama bin Laden.“
Nach dem Gefecht also, nicht im Gefecht.
(gesehen bei suedwatch)

Und weiter:

Dass aber der Friedensnobelpreisträger Barack Obama in seiner Erklärung die Tötung Bin Ladens mit den Worten ‚der Gerechtigkeit ist Genüge getan‘ zelebriert und die deutsche Bundeskanzlerin ihm mit dem Ausdruck ihrer Freude über den Tod Bin Ladens sekundiert, sind beschämende Entgleisungen. Sie heißen einen Akt gut, der das zwischenstaatliche Gewaltverbot und das humanitäre Völkerrecht verletzt.
(Handelsblatt)

Angela Merkel ist eine Pfarrerstochter und die Vorsitzende einer Partei, die sich christlich nennt. Man sollte also meinen, dass die zehn Gebote ihr als Richtschnur dienen. Zum Beispiel das fünfte: Du sollst nicht töten. Wie aber passt das zur Aussage der Kanzlerin: ‚Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten.‘? Sie freut sich über den gewaltsamen Tod eines Terroristen, aber immerhin doch auch eines Menschen. War sie gerade Kreide holen, als im Pfarrhaus das fünfte Gebot durchgenommen wurde?
(FR)

Mehr SZ und ihre Probleme:

Eine Seebestattung entspricht nicht den Gepflogenheiten und der Begräbniskultur des Islam. Kommt Osama bin Laden trotzdem ins Paradies, weil er als Märtyrer gestorben ist?
(SZ)

Noch mehr Rechtschaffende:

Ob sich Osama bin Laden wirklich gewaltsam einer beabsichtigten Festnahme widersetzte oder ob er nicht Opfer einer gezielten extralegalen Tötung wurde, bleibt zu klären. So oder so – die Neue Richtervereinigung verurteilt auf jeden Fall die beschämende, ausdrücklich und öffentlich ausgesprochene Freude über seinen gewaltsamen Tod seitens der Bundeskanzlerin, des Bundespräsidenten und des Bundesinnenministers.
Osama bin Laden war einer der gewalttätigsten Verbrecher nach den Weltkriegen. Die Erklärung eines schmutzigen Krieges durch Terrororganisationen vermag es aber nicht zu legitimieren, auf derselben Ebene zu agieren. Wie jeder Verbrecher hätte er vor Gericht gestellt werden müssen. Dies ist ein Eckstein der Zivilisation. Bin Laden in einem rechtsstaatlichen Verfahren zur Verantwortung für seine Taten zu ziehen, hätte daher eine große Stunde für die Rechtsstaatlichkeit werden können. Sollten die USA sich für den barbarischen Weg einer gezielten extralegalen Tötung entschieden haben, wäre dies eine große Niederlage für die Zivilisation.
Die international zu ächtende Todesstrafe hätte im Rahmen der Werteordnung des Grundgesetzes gegen ihn weder verhängt, noch vollstreckt werden dürfen.
(Neue Richtervereinigung)

Die Zusammenfassung:

Terroristen töten Osama bin Laden.
(junge Welt)

Ich habe mich köstlich amüsiert, für alle die aber noch nicht laut lachen konnten, schafft der Humor von Herr Böss jetzt vielleicht Abhilfe:

Es war im April des Jahres 1945, als ein Deutscher mit Migrationshintergrund, zermürbt durch eine beispiellose Hasskampagne der internationalen Presse, keinen anderen Ausweg mehr sah, als durch Selbstmord aus der Welt zu treten. Dieser Tod erscheint umso tragischer, da der Migrant erst kurz zuvor geheiratet hatte. Das Brautpaar war voller Hoffnung, voller Träume. Doch Russen, Briten und Amerikaner, die seit Jahren einen brutalen Krieg gegen die deutsche Zivilbevölkerung führten, zerstörten dieses junge Glück.