Mich überrascht der Wahlkampf der österreichischen FPÖ positiv. Ich habe Strache selten so professionell erlebt wie in den letzten Monaten. Sein Auftreten erinnert schon jetzt an einen Staatsmann. So ein bisschen à la Orbán, aber eher noch moderater und noch geschickter im Umgang mit Medien. Ich weiß nicht, ob und was er in seinem Umfeld geändert hat, aber es scheint aktuell sehr gut zu funktionieren. Ein Wahlspruch der FPÖ geht aktuell in die Richtung „Wählt wie ihr wirklich denkt“. Der Spruch ist ziemlich genial und kreativer als fast alles, was man von westeuropäischen rechten Parteien bisher kannte. Im Wortlaut heißt es: „Wählt so, wie Ihr denkt, damit auch geschieht, was Ihr wollt.“
Zwar werden FPÖ-Plakate von den üblichen Verdächtigen massenhaft zerstört, aber ein paar Plakate kommen immer durch. Sogar die Presse gibt zu, dass es bevorzugt SPÖ-Leute sind, die FPÖ-Plakate gezielt zerstören: „Teilweise gibt es eine lange Tradition, vor allem bei der SPÖ auf Bezirksebene. Da marschieren Anhänger in der Nacht los und zerlegen FPÖ-Plakate. Das dürfte eine alte Sozi-Tradition sein.“ Ein zutiefst antidemokratisches Verhalten, das man von den scheindemokratischen Kollegen aus Deutschland (Linke, SPD, Grüne) nur zu gut kennt.
Straches Plan scheint aufzugehen. Er will nicht wirklich Bürgermeister von Wien werden, sein Ziel ist die Kanzlerschaft 2018. Würde er heute Bürgermeister, sein Plan wäre im Grunde ruiniert. Das beste Resultat für die FPÖ wäre heute, wenn sie gleich oder sogar vor der SPÖ liegen, dann aber niemand mit Strache regieren will. Die Chancen hierfür stehen nicht schlecht, zumal alle anderen Parteien sich im Vorfeld gegen die FPÖ verbündet haben. Etwas Besseres konnte der FPÖ nicht passieren.
Ein Interview der ZEIT mit dem österreichischen Politologen Markus Wagner fand ich sehr interessant. Wagner macht ein paar Aussagen, die man so selten in großen deutschen Medien lesen kann. Der Journalist von der ZEIT wirkt nicht wirklich happy, letztendlich wurde das Interview aber gedruckt. Die Teiloffenheit der ZEIT bei diesem Thema ist in dieser Form neu für mich. Nachfolgend die Aussagen, die ich meine:
Die rechte FPÖ vertritt in der Flüchtlingsfrage die Meinung des Volkes, sagt der Wiener Wahlforscher Markus Wagner. Das könnte ihr auch bei der Wahl in Wien helfen.
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Die Österreicher sehen Zuwanderung negativ, das ist eigentlich ein Konsens. Es gibt wenige Leute im Land, die gegenüber Einwanderung positiv eingestellt sind. Die einzige Partei, die klar die ablehnende Haltung vertritt, ist die FPÖ.
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Es ist natürlich eine Protestwahl, wobei der Protest einen ideologischen Kern hat. Man ist mit der Regierungsarbeit unzufrieden und will, dass sich die Politik ändert. Es ist nicht nur einfache Unzufriedenheit, sondern auch eine Richtungswahl.
Wie stoppt man den Aufstieg des politischen Gegners?
Die FPÖ wäre übrigens relativ einfach zu stoppen. Die anderen Parteien müssten populäre Positionen der FPÖ übernehmen und diese dann konsequent umsetzen. Sobald die Menschen realisieren, dass die populären FPÖ-Themen abgeräumt sind, werden die Wähler wieder ihre Sozis, ihre Grünen, ihre Liberalen und ihre Konservativen wählen. Die betroffenen Parteien und die Medien wollen dies aber aus ideologischen Gründen nicht einsehen – und machen die FPÖ (und andere rechte Parteien) dadurch immer stärker und immer stärker.
An diesem Punkt wird die ideologische Verbohrung der etablierten Elite deutlich. Sie kann an diesem Punkt nicht über ihren Schatten springen. Wenn man sich selbst als „das Gute“ im Kampf gegen „das Böse“ definiert, dann bleibt kein Raum dafür, dass der Gegner zum Teil recht haben könnte. Mit der Selbstdefinition des Guten rechtfertigt man gleichzeitig, dass sich die Mehrheit der „guten“ Politiker und „guten“ Journalisten gegen die Mehrheit des „bösen“, „unwissenden“ Gemeinbürgers durchsetzen darf. Vergessen wird dabei, dass alle Regeln und Gesetze menschengemacht sind und deshalb auch von der Mehrheit der Menschen mitgetragen werden müssen, wenn sie auf Dauer bestehen sollen. Auch Sprechverbote und Tabus sind kontraproduktiv, insbesondere wenn sie nur dazu dienen verbreitete Meinungen zu unterdrücken.
Die ideologische Eskalation der Eliten (im Sinne einer Sturheit) kann man in vielen westlichen Staaten beobachten. Auch die AfD würde in Deutschland aktuell explodieren, wenn sich Lucke und die AfD nicht so kindisch zerstritten hätten.
Addendum: Merkel pustet die Schlauchboote auf.
Zum Geisterstunden-Artikel von gestern gehört natürlich auch der punktgenaue Kommentar von Eran Yardeni:
Ihre Horror-Show bei Anne Will war nicht nur eine makabre Selbstentmachtung, sondern vor allem eine Bankrotterklärung der deutschen Staatlichkeit. Nachdem ich das Interview gesehen hatte, fragte ich mich, wie die Israelis zum Beispiel reagieren würden, wenn ihr Premierminister Netanjahu zu einen so trostlosen Eskapismus Zuflucht nehmen würde. Was würden sie machen, wenn Netanjahu ihnen sagte: “Die Grenzen können wir nicht schließen, nicht sichern und nicht kontrollieren. Wir haben im Grunde genommen keine Ahnung, wer bei uns einreist. Es tut mir echt echt leid, wir haben in Ungarn gesehen, was passiert, wenn man einen Zaun errichtet. Das klappt einfach nicht. Verzeihung.“
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Mit der Einstellung „Es liegt nicht in unserer Hand“ – wie Stefan Aust Merkels These betitelt hat – pustet die Bundeskanzlerin die nächsten Schlauchboote auf.
Addendum II: Nach der Wahl
Medien wie Welt online wollen ihre Leser derweil mal wieder für dumm verkaufen. Zunächst einmal taucht immer die Belehrung auf, was die FPÖ nun eigentlich zu sein hat. Nur unliebsame Parteien bekommen in deutschen Medien regelmäßig Eigenschaftswörter vorangestellt. Niemals schreiben die gleichen Journalisten „die linkspopulistische SPÖ“ oder „die linksextremen Grünen“ oder „die altbackene ÖVP“. Die Parteien werden einfach beim Namen genannt, nicht mehr und nicht weniger.
Die rechtspopulistischen, in Teilen rechtsextremen, in ihren Wurzeln deutschnationale FPÖ konnte, nach einer ersten Hochrechnung um 18 Uhr, letztlich nur knapp über 30 Prozent der Wählerstimmen hinter sich vereinen und muss sich trotz Zugewinnen von ca. 5 Prozent als der große Wahlverlierer betrachten. Nicht wenige, am stärksten wohl er selbst, hatten den rabiaten HC Strache nach seinem Wahlkampf voller Hetze und rechter Propaganda gegen Flüchtlinge und Zuwanderer schon als Bürgermeister in der Stadt an der Donau gesehen, doch damit wird es nichts werden.
Die zweite Propagandalüge ist die Behauptung Strache habe sich schon als Bürgermeister gesehen. Es war schon vor der Wahl klar, dass keine Partei mit der FPÖ koaliert, damit war das Bürgermeisteramt nie erreichbar. Jede Partei wusste dies im Vorfeld. Nur deshalb hat sich Strache überhaupt beworben.
Der dritte interessante Punkt ist Umdeutung von 30% als Zeichen der Niederlage. Selbst deutsche Faschisten unter Hitler erreichten bei freien Wahlen nie wesentlich mehr als 30%, schon gar nicht in einer roten Hauptstadt. Man stelle sich mal vor die AfD würde 30% in Berlin oder sonstwo erreichen.
Die FPÖ ist in Österreich mittlerweile eine ernstzunehmende Macht mit deutlichem Einfluss auf die Politik. Für ihren Einfluss ist es sogar besser, wenn sie nicht regieren. In der Praxis bedeutet dies, dass Politiker wie Häupl Probleme, die die FPÖ stark machen, pragmatisch lösen müssen – oder Gefahr laufen die FPÖ immer stärker zu machen.
Leider hat Politologe Wagner viel Unsinn erzählt:
Nein. Politiker haben den Willen des Souveräns zu erkennen und in Gesetze zu gießen.
Australien ist eine Demokratie und denkt zurecht nicht im Traum daran, Europas Asyl“politik“ zu übernehmen.
@Mme. Haram
Das habe ich auch gelesen. Das Thema habe ich in meinem Artikel angesprochen. Wagners Weg ist genau der falsche Weg. Es sollte in einem modernen Staat keine Tabus geben. Linke tun immer so als würden sie Tabus brechen, in Wirklichkeit errichten sie ebenso viele neue Tabus. Das kann nicht Sinn der Sache sein und ist aus meiner Sicht sehr gefährlich.
Regeln und Gesetze sind von Menschen gemacht und können deshalb auch von einer entsprechenden Mehrheit geändert werden. Tabus helfen nicht weiter. Es gibt viele Journalisten und Politiker, die das anders sehen – für mich ist das Ausdruch einer Hybris, eines entgrenzten, geschichtslosen Wahnes. Nur wer sich als Krone der Geschichte sieht, kann solche Tabus für richtig halten.
Eine Interessante Analyse zu der Wahl in Österreich: http://www.welt.de/debatte/kommentare/article147422998/Die-rechtspopulistische-FPOe-koennte-Wien-erobern.html
Es ist schwer zu verstehen, warum Merkel so handelt. Merkwürdigerweise hindert sie auch niemand daran. Vermutlich hat Merkel und ihre Politik noch große Zustimmung, auch wenn sich die Stimmung langsam dreht. Offensichtlich müssen noch mehr als die 300-500 Tausend „Flüchtlinge“ des letzten Monats kommen, damit die Deutschen alle Nachteile einer islamischen Masseneinwanderung wahrnehmen.
Bis jetzt gibt es keine großartige Änderung in der Wahlumfrage. CDU/SPD stabil bei so 65%, ein breite linke Wand mit 25 SPD und jeweils 10% Linke und Grüne, FDP bei 4-5% und Sonstige bei 6-7%. Nur die AfD konnte ihre Zustimmung verdoppeln von 3 auf 6%.
Was ich von Deutschen mitbekomme ist folgendes: Man ist mit Merkels Politik der offenen Grenzen nicht einverstanden, will Merkel aber trotzdem weiterhin wählen, aus einer diffusen Angst heraus, es werde ohne Merkel noch schlimmer. So ähnlich war es schon in der Eurokrise. Dabei ist Merkel das Kernproblem.
Außerdem lassen sich viele Deutsche stark von der veröffentlichten Meinung beeinflussen. Die Ablehner der Migrationspolitik mögen formal in der Mehrheit sein, sie sind aber nicht organisiert und in Politik und Medien so wenig vertreten, dass sie glauben, sie wären eine deutliche Minderheit.
Gleichzeitig ist es natürlich sehr schade, dass sich Lucke und die AfD so kindisch zerstritten haben. Mit Luckes Leuten wäre die AfD aus meiner Sicht noch einmal deutlich gefährlicher.
Dazu kommt noch ein Haufen Merkelfans, Nichtwähler und Politikverdrossene. Das ist so eine Art symbiotischer Kreislauf: Das Wahlvolk sagt „Merkel schafft das schon!“ und Merkel sagt „Wir schaffen das [gemeint: Ihr schafft das schon]“.
Die Ablehner sind auch nicht sooo stark dagegen. Ein bischen weniger Grenzkontrollen, mehr Abschiebungen und weniger auf einmal – damit hätte Merkel die meisten wohl schon wieder auf Linie gebracht. Oder anders formuliert. Die Ablehner sind dagegen, doch Merkel will es einfach mehr.
Die CDU steht zur großen Mehrheit hinter Merkel. Die CSU bellt nur und liefert kein Gegenkonzept. Das ist schon ziemlich peinlich.
Mit der AfD ist nicht viel los und kann (wie alle europäischen „Rechtspopulisten“) sich bei Merkel bedanken, dass sie überhaupt über 5% kommen kann.
@shaze86
Ich stimmte dir zu, außer beim Thema CSU. Mich überrascht es positiv wie sehr sich die CSU dieses Mal wehrt. Das war bei anderen Krisen nicht so. Siehe Euro.
Seehofer ist dieses Mal richtig wütend. Er wird auch nicht einfach aufhören, sondern weiter Druck machen.
Ich sehe auch nicht, dass die CSU keine Konzepte hat. Das ist doch nur ein Klischee, das die großen Medien gerne verbreiten. Man könnte morgen die Grenzen wieder schließen, wenn man nur wollte. Man könnte vieles machen, wenn man nur wollte.
Die bayerische Verwaltung ist sehr gut organisiert. Die Bayern würden auch ihre Grenze sichern, wenn es legal wäre, aber Merkel hat schon gedroht das sei Bundessache. Aber momentan ist alles denkbar. Zum Beispiel, dass die Bayern die Grenzsicherung doch selbst übernehmen. Was macht Merkel dann? Schickt sie Panzer gegen Seehofer. Seehofer sollte bis an die absoluten Grenzen gehen. Und darüber hinaus.
Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Man muss einer offensichtlich Wahnsinnigen nicht folgen.
@American Viewer: Genau diesen Vorschlag meinte ich. Den kann Bayern nicht alleine durchsetzen. Außerdem blieben dann noch andere Routen offen. Außerdem kann Merkel dann immer noch eine Luftbrücke zwischen der Türkei und Deutschland öffnen. Ich glaube aber nicht das Seehofer irgendetwas machen wird und packe dies in ein typisch bayrisches mal-auf-den-Tisch-gehauen.
Aber wenn Seehofer nicht auf den Tisch haut, dann passiert gar nichts. Ich habe Seehofer noch nie so wütend gesehen.
Merkel und die SPD sind Experten darin, was angeblich alles nicht geht. Wie es aber stattdessen gehen soll, wissen sie selbst nicht. Sie lehnen Vorschläge einfach ab, nur weil sie von bestimmten Leuten kommen.
Merkel sagt auch nie: „Ich will diese und diese Politik! Das ist mein Willen.“ Dazu ist sie zu feige. Sie behauptet stattdessen: „Man kann es gar nicht anders machen, meine Pläne sind alternativlos!“
Wollen und Müssen sind ein immenser qualitativer Unterschied. Merkel argumentiert immer mit dem Müssen. Das ist eine ganz miese Art Politik zu machen, weil dadurch jede Opposition und jeder andere Weg für illegtim und unmöglich erklärt wird. Das ist das Schlimme an ihr.
ich denke, Häupl bleibt knapp vorne – die ÖVP wird ihre Strategie ändern müssen, um nicht unterzugehen.
ich glaube schon, dass man das mit Blick auf die CSU langsam kapiert hat
Ich glaube die ÖVP hat nichts kapiert. Auch das FPÖ-Ergebnis ist eher enttäuschend, wenn man die Umfragen der letzten Wochen als Basis nimmt, aber sehr gut, wenn man historische Vergleiche zieht. Das Migrantenproblem ist für viele Wiener offenbar doch nicht so dringend. Jedenfalls aktuell nicht. In Großstädten wie Wien wird sich die FPÖ wohl immer schwer tun. Da scheinen 30% sehr viel zu sein.