Rechte Verschwörung gegen Sebastian Edathy. Differenzierung bitte!

Medien wie Spiegel Online beklagen sich, dass bei der Hausdurchsuchung im Fall Edathy ein einzelner Reporter einer kleinen Lokalzeitung anwesend war, der es sich erdreistete vor SpOn und ÖRF zu berichten. Wie sollen SpOn und ÖRF dem Fall nun die „richtige Richtung“ geben? So ein Fehlstart erschwert den Faktenspin – wie gemein.

Nur zur Erinnerung: Im Fall Zumwinkel belagerten Teams von Spiegel online und ZDF das Haus von Zumwinkel noch bevor Staatsanwaltschaft und Polizei eintrafen.

NDR.de zitiert derweil Niedersachsens früheren Innenminister Bartling (SPD) mit den Worten: „Das sind bisher Verdächtigungen, die aus meiner Sicht keinerlei Grundlagen haben“. Er halte es durchaus für möglich, dass Edathy angesichts seines Vorsitzes im NSU-Untersuchungsausschuss „Opfer einer Retourkutsche“ geworden sei. Edathy habe sich Feinde aufseiten der rechten Szene als auch aufseiten der Ermittlungsbehörden gemacht. Feinde, die offenbar bis nach Kanada reichen.


Wer noch mehr Verschwörungstheorien lesen mag, ist wie immer in den Foren von SZ und SpOn richtig. Die NSA, Rechtspopulisten und die kanadische Schieferöl-Industrie haben sich gegen Edathy verschworen. Etwas anderes als eine rechte Verschwörung gegen Edathy kann nicht vorliegen, da ist man sich einig.

Edathy vs. Tauss.
Die Geschichte erinnert an den Fall Jörg Tauss. Im Fall Tauss halten viele sogar bis heute zum „Justizopfer“ Tauss. Auffällig ist im aktuellen Fall, dass Edathy sofort sein Bundestagsmandat niederlegte und sich laut Medienberichten im Ausland aufhalten soll. Nicht gerade ein logisches und glaubwürdiges Verhalten, wenn man von seiner eigenen Unschuld überzeugt ist.

Prantl: Medien berichten zu schnell.
Den Vogel schießt mal wieder Heribert Prantl ab, der den Fall Edathy auf seine einmalig heuchlerische Art so kommentiert: „Über Ermittlungsverfahren im embryonalen Stadium wird zu früh zu schnell zu viel bekannt.“ Auch hier nur zur Erinnerung: Es war die Süddeutsche Zeitung, die die Selbstanzeige von Uli Hoeneß im Embryonalstadium publik machte. Prantl ist ein derartig extremer Heuchler, dass ich mich frage, wie man ihn ernst nehmen kann, selbst wenn man politisch auf seiner Seite stehen mag.

Prantl: Alice Schwarzer ist ein Opfer von Hetze.
Freilich ist laut Prantl auch nicht jeder Fall von Steuerhinterziehung verurteilenswert. Auch hier kommt es wesentlich auf die politische Einstellung an. So ist Prantl gegenüber Frau Schwarzer auffallend zahm. Alice Schwarzer habe sich gegen „maßlose Anprangerung“ auf dumme Weise gewehrt; aber das sei keine Rechtfertigung für die „Hetze“ gegen sie. Man solle im Fall Schwarzer doch bitte die Kirche im Dorf lassen. Denn eines sei ja schließlich klar: „Der Fall Schwarzer liegt ganz anders als der Fall Hoeneß.“
Wohl dem, der nach Prantlscher Dialektik zu differenzieren weiß.

22 Gedanken zu „Rechte Verschwörung gegen Sebastian Edathy. Differenzierung bitte!

  1. Als in Italien sitzender deutscher Blogger verwehre ich mich dagegen, daß ein (soweit ich weiß) in Deutschland sitzender amerikanischer Blogger einen Aufenthalt im Ausland als Verdachts- oder gar Schuldmerkmal ansieht. 🙂

  2. die alberne These von der rechten Verschwörung erinnert frappant an die Methoden der Sowjetunion, der DDR und das nationalsozialistische Deutschland. Die waren auch immer schnell dabei feindliche Mächte wie bspw. die ’sinojevistisch-trotzkistischen Scheusale‘ und sonstige ‚jüdische Verschwörer‘ für alles und jenes verantwortlich zu machen. In Wirklichkeit stammt die Information aus Kanada und eine SPD Quelle hat den Journalisten darauf hingewiesen.

    Bezeichnend, das die deutsche Politik schon so tief im Extremismus abgeglitten ist, dass sie sich Methoden des Real- und Nationalsozialismus bedient. Hoffe, dem wackeren Journalisten entsteht kein Schaden!

  3. Edathy hat bestimmt viele Feinde, sein Verhalten ist aber schon arg verdächtig.
    Missmutige Bundestagskollegen nennen ihn wohl den Mann „am Ende des Ganges“ (dort liegt sein Büro + er hat indische Wurzeln). Genial!:D

  4. jaja, der hochethische Spiegel und eine rechte Verschwörung

    der Fall Barschel ist heute auch als große Verschwörungs-Theorie bekannt:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Uwe_Barschel

    dass es sich dabei eigentlich um einen der brutalsten Fälle von journalistischer Vorverurteilung handelte, durch die obendrein eine Wahl massiv beeinflusst wurde, hat man dem hochethischen Spiegel schnell nachgesehen:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Barschel-Aff%C3%A4re

    es war schließlich nicht die große böse Bild oder die kleine unethische Harke

  5. Na, in diesem Fall geht die Geschichte wohl andersrum. Da der gute Mann offenbar der „richtigen“ Partei angehört, wußte sein Vorsitzender schon lange von den Vorwürfen (laut Bericht auf welt-online). Ab dem Zeitpunkt begann der gute Mann, immer kränker zu werden und sich von allem zurückzuziehen, während die Parteifreunde unauffällig auf Distanz gingen. Dann wurde das Bundestagsmandat aufgegeben und ein paar Tage später finden die Ermittler nur noch gelöschte Festplatten vor, einige fehlen ganz. Gleichzeitig findet sich der gute Mann in Dänemark wieder, ein angeblich sexuell freizügiges Land.
    Wenn das alles auf einen CDU-Mann zutreffen würde, was würde die Presse wohl machen? Abgesehen davon, dass bei einem CDU-Mann die Presse durchaus in Kompanie-Stärke vor Ort wäre und eine Sondersendung die andere jagen würde. Aber bei dem NSU-Prinz (mit echtem Wankelmotor) ist die Presse sauer, dass ein Käseblatt die Sache publik gemacht hat.
    Mir ist es herzlich egal, was am Ende dabei rauskommt. Diese ganze Sache sehe ich aber als klaren Beweis, dass die Medien durch die Bank linke Politik machen. Konservative werden wegen Doktorarbeiten oder Bobby-Cars gnadenlos gehetzt, die linken Protagonisten mit Mann und Maus verteidigt. Die Väter des Grundgesetzes hätten sich nie träumen lassen, dass die freie Presse einmal die größte Gefahr für die Freiheit sein würde.

    • So sehe ich es auch. Bisher wurde der Fall von Medien wie SpOn auf Sparflamme gehalten. Die Kritik ging nicht etwa gegen Edathy, sondern gegen den kleinen Lokalreporter, der den Fall öffentlich machte und gegen die Staatsanwaltschaft, die die Dreistigkeit hatte gegen Edathy zu ermitteln.

      Die Welt fand derweil vor ca. zwei Tagen heraus, dass SPD-Gremien und damit wahrscheinlich auch Edathy schon seit Oktober 2013 von den Ermittlungen wussten. Damit kam die Hausdurchsuchung in der Tat viel zu spät. Auch das war Spiegel und Co herzlich egal.

      Nun aber könnte der Konservative Friedrich auch beteiligt gewesen sein und der soll nun natürlich sofort zurücktreten:
      http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fall-edathy-friedrich-will-bei-ermittlungsverfahren-zuruecktreten-a-953438.html

      Das ist genau das, was ich mit Spin meinte. Bestimmte Medien fahren nur noch Kampagnen, das hat mit Journalismus nicht mehr viel zu tun.

      • Hier wird immer wieder bemängelt, dass die CDU im Prinzip auch schon (zu) links bzw. nicht mehr konservativ/bürgerlich und/oder zu sozialdemokratisch ist. Müssten die linken Medien dann nicht auch CDU-Leute schützen? Ich glaube, dass liegt nur an der öffentlichen Meinung über die Parteien. Links sind die prinzipiell alle

      • Zusatz:
        Ich finde es gibt viele Artikel, die den Fall neutral (sogar auf spiegel online) oder Edathy-kritisch behandeln

      • Was wäre denn zu erwarten? Edathy-freundliche Artikel? Wie gesagt: Edathy war kaum das Thema. Zuerst ging es darum, dass ein Lokalreporter „journalistische Grenzen“ überschritten habe. Dann wurde Friedrichs Kopf verlangt. Im „Fall Edathy“ geht es erschreckend wenig um Edathy.

  6. Mich würde interessieren warum jetzt in der SPD nicht mal ein paar Köpfe rollen. Da hört man gar nichts. Wer hat Pädathy vorgewarnt?

      • Ich weiss nicht was Sie meinen, lieber AV. Edathy hat ja gesagt, dass er nach Presseberichten seinen Anwalt „sondieren“ liess. Was wollen Sie denn noch? Gut, dass die Pressekonferenz der kanadischen Behörden am 14.11. stattgefunden hat, Edathy seinen Anwalt aber schon am 13.11. „sondieren“ liess, ist vielleicht ein störendes Detail.
        Ich finde seine Vorgehensweise allerdings absolut lebensnah, zumindest ich lasse meinen Anwalt auch sondieren, wenn in Kanada ein Kinderpornoring auffliegt, in Peru Olivenoel gepanscht wird, oder die Oesterreicher wieder einmal Frostschutzmittel in ihren Wein kippen. Wer weiss denn schon, ob nicht gegen ihn ermittelt wird, obwohl man völlig total absolut hammermässig unschuldig ist? So in Zeiten wo NSA, Mossad etc…. Das will man doch wissen. Ausserdem gibt es einem ein gutes Gefühl. Ist ein bisschen teuer, aber man gönnt sich ja sonst nichts.
        Na ja, Edathy ist auf jeden Fall mein Vorbild und wenn ich einmal gross bin werd ich Gebrauchtwagenhändler, Politiker oder Journalist, soviel ist mal sicher

  7. @AV
    Nö aber es ist ja auch blöd, Medien dafür zu verurteilen, dass sie nicht gegen jeden hetzen. Dass die Medien (und alle Menschen auf dieser Erde) gerne heucheln und mit zweierlei Maß messen, ist ja nun keine Überraschung

  8. Pingback: Die Friedrich-Affäre | Aron Sperber

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