Der Fall Khodorkovsky – ein Lehrstück.

Vor einigen Tagen wollte ich einen Artikel über Mikhail Khodorkovsky schreiben – als bitter nötige Gegenargumentation zu deutschen Presseberichten. Das Augstein und Kollegen Khodorkovsky nicht mögen, war absehbar.

Wirklich überrascht und getroffen haben mich die Kommentare von Achgut-Urgesteinen wie Dirk Maxeiner und Wolfgang Röhl.

Dirk Maxeiners fragte „kritisch“ nach, warum sich Hans-Dietrich Genscher gerade für Mikhail Khodorkovsky eingesetzt habe. Sein Argument war unter anderem:

Politische Gefangene, die unter schlimmen Bedingungen und ohne rechtsstaatliches Verfahren festgehalten werden gibt es in reicher Zahl überall auf der Welt. Also warum der so dezidierte Einsatz für Chodorkowski?

Der Kommentar ginge gerade noch, wenn es Maxeiner nur darum gegangen wäre die Person Genscher kritisch zu beleuchten – gerade vor dem Hintergrund, dass Putin in den letzten Wochen auch schon zwei andere deutsche Greise (Schmidt, Ströbele) für seine Zwecke einspannte. Wenn man den Kommentar so betrachtet, ist er okay.

Man kann den Schwerpunkt der Bewertung aber auch auf Maxeiners oben genanntes Argument legen: „Politische Gefangene gibt es in reicher Zahl überall auf der Welt, warum gerade Chodorkowski?“

Dieses Argument ist für sich genommen natürlich ein Scheinargument aus der Kategorie „Nirvana fallacy/Perfect solution fallacy“: Eine Lösung wird abgelehnt, weil sie nicht perfekt ist. So kann man natürlich auf alle Probleme der Welt antworten. Wenn man nur einem helfen kann oder will, sollte man lieber niemandem helfen? Das – so scheint es mir – ist die verquere Logik hinter Maxeiners Argument. Diese Art der Scheinargumentation sollte man nicht ernst nehmen. Maxeiners Argumentation lädt geradezu zum Kontern ein: Wie vielen politischen Gefangenen hat Herr Maxeiner denn bisher in seinem Leben geholfen?! Null? Dachte ich mir. Es steht bei diesem Thema mindestens 1:0 für Genscher. Ich halte Genschers Rolle – früher und heute – für überschätzt, deutsche Politiker seiner Generation werden – typisch Nostalgie – maßloß in den Himmel gelobt, aber die Argumentation von Maxeiner ist in diesem Punkt sehr schwach.


Ähnlich enttäuschend ist es, dass dem Liberalen Maxeiner zur Befreiung des Liberalen Khodorkovsky durch den Liberalen Genscher offenbar nichts Weiteres eingefallen ist, als der Kritikpunkt, dass Genscher doch bitte noch mehr Gefangene hätte befreien sollen. Das ist schon bitter. Ich halte fest: Vergleicht man die Worte und Taten der Liberalen Maxeiner, Khodorkovsky und Genscher, dann steht Maxeiner in diesem Punkt am schlechtesten da.

Röhl macht es auch nicht besser.
Noch schlimmer war nachfoldender Kommentar von Wolfgang Röhl:

Vor Jahren haben in Russland zwei Gangster einen Machtkampf ausgefochten. Der eine saß am längeren Hebel, der andere fuhr ein. Jetzt ist der damals unterlegene Gangster vom Sieger aus dem Knast entlassen und nach Deutschland ausgeflogen worden, wo er als Freiheitsheld gefeiert wird.

Diese Haltung erscheint mir als Beispiel für Äquidistanz. Eine Haltung, die Henryk M. Broder in anderen Fällen auch immer wieder kritisiert. Röhl sagt nichts anderes als: „Natürlich, Putin ist ein Gangster, aber Khodorkovsky ist auch ein Gangster, beide sind Gangster, beide sind gleich schlimm.“ – Wie bitte?!

Ein 22-Jähriger könnte die Ehre von Achgut retten.
Jetzt wäre die Zeit gekommen, dass ich meine Gegendarstellung von Khodorkovsky schreibe. Ein relativer langer Text wäre es geworden. Wertvolle Stunden meiner Feiertage hätte ich geopfert. Glücklicherweise muss ich das nun nicht mehr, denn gerade habe ich bei Welt online einen wunderschönen Kommentar von Filipp Piatov zum Thema gefunden. Darin beschreibt er fast alles, was ich auch (so ähnlich) hätte entgegen wollen – abzüglich meiner eingeschränkten schriftstellerischen Fähigkeiten.

Hier ein kleiner Appetithaben aus Piatovs Kommentar:

Aber nicht nur für Journalisten taugt Chodorkowski nicht als Heiliger. Immerhin hätte er, so der allgemeine Tenor, sein Geld nicht mit legalen Mitteln verdient. Was aber im Russland der 90er-Jahre legal war und ob Legalität gleich Moralität ist, fragt sich hierzulande kaum jemand.

So sehe ich es auch. Khodorkovsky war kein Heiliger, der es westlichen Journalisten und einem absurden und korrupten System recht machen wollte. Aber er handelte durchaus moralisch. Moral und Recht sind bekanntlich nicht das gleiche. Ich könnte das weiter ausführen, aber Piatov beschreitet diesen Pfad schon gekonnt und zielsicher.
Für mich ist Khodorkovsky ein Liberaler im (fast) besten Sinn.

Filipp Piatov hat bekanntlich auch schon auf Achgut geschrieben. Piatovs aktueller Kommentar ist allerdings auf Achgut bisher nicht erschienen. Das ist sehr schade,
denn auch Achgut hätte in diesem Fall eine Ehrenrettung bitter nötig.

39 Gedanken zu „Der Fall Khodorkovsky – ein Lehrstück.

    • Das stimmt natürlich. Aber ist das eine Kunst?

      Genschers Vermächtnis wird bei mir wahrscheinlich erstens dadurch getrübt, dass Politiker seiner Generation laufend in deutschen Medien präsent sind und Unsinn erzählen (Heiner Geißler, Gerhart Baum, Helmut Schmidt) und zweitens, dass diese Politiker dann auch noch – typisch Nostalgie – von der heutigen Generation in den Himmel gehoben werden. Das hat mein Bild beider Generationen in den letzten Jahren stark eingetrübt.

      Genscher ist da vielleicht die große Ausnahme, das ist gut möglich. Von Medien hält er sich bekanntlich fern, er kommentiert keine Tagespolitik und er reist auch nicht im Alter von 94 medienwirksam zu Putin und lästert dort über die EU.

      • „er reist auch nicht im Alter von 94 medienwirksam zu Putin und lästert dort über die EU.“

        sehr guter Punkt

        über die EU gibt es zwar genug zum Lästern – als einer der führenden Sozialdemokraten seiner Generation gehört doch gerade Schmied zu den Politikern, die die EU in die falsche sozialistische Richtung geführt haben.

      • Die Kritik von Schmidt war witzigerweise inhaltlich nicht so falsch: Die EU ist in einer Krise und seit Adenauer, Churchill und de Gaulle sei die Qualität europäischer Staats- und Regierungschefs immer weiter gesunken – sich selbst hat er offenbar miteingeschlossen. Aber was bringt alle Kritik, wenn man vor der falschen Kulisse auftritt? Das war reichlich surreal.

  1. Wenn man nur einem helfen kann oder will, sollte man lieber niemandem helfen? Das – so scheint es mir – ist die verquere Logik hinter Maxeiners Argument. … der Kritikpunkt, dass Genscher doch bitte noch mehr Gefangene hätte befreien sollen …

    Ich glaube eher, Maxeiner will sagen, Genscher habe stattdessen einem „würdigeren“ PP helfen können/sollen. Es geht nicht um die Zahl.

    Die aktuelle Chodorkowski-Debatte in den Medien habe ich nicht verfolgt. Aber zur Zeit des Schauprozesses, der in Russland gegen ihn veranstaltet wurde, waren die deutschen Medien größtenteils auf seiner Seite. Er wurde als jemand dargestellt, der gegen Putins Autokratie vorgehen wollte und daraufhin mit unfairen/unrechtsstaatlichen Mitteln abserviert wurde.

    Gegenüber Putin und auch anderen (Ex-)Oligarchen, die Putin vertrieben hat (Abramowitsch, Beresowski, …) hat Chodorkowski den Vorteil, dass er ein hübscher, sensibel wirkender Bursche ist. Äußerlich passt er überhaupt nicht ins Bild des brutalen Bereicherers und Machtmenschen. Ob er trotzdem einer ist oder war, kann ich bei meinem derzeiigen Kenntnisstand nicht beurteilen.

    • Ich glaube eher, Maxeiner will sagen, Genscher habe stattdessen einem “würdigeren” PP helfen können/sollen. Es geht nicht um die Zahl.

      Mir ging es auch nicht um die Zahl. So wie Sie kann man es auch ausdrücken. Wahrscheinlich ist es sogar besser. Nur der Kommentar von Maxeiner wird dadurch nicht besser.

      Mal abgesehen davon, dass man gar nicht weiß, was Genscher wirklich gemacht hat. Man liest meist nur Spekulationen. Vielleicht hat er sich für mehr eingesetzt? Es ist ja so, dass nicht nur Chodorkowski, Pussy Riot und die Greenpeace-Ökos freikamen, sondern dass angeblich weitere 25.000 Inhaftierte unter das Amnestie-Gesetz fielen. Nur porträtieren die Medienleute diese Menschen nicht. Kann es also sein, dass sich in Wirklichkeit nur Maxeiner und Co nicht für die anderen interessieren? – Die Journalisten also genau das praktizieren, was sie Genscher anhängen wollen?

      Er wurde als jemand dargestellt, der gegen Putins Autokratie vorgehen wollte und daraufhin mit unfairen/unrechtsstaatlichen Mitteln abserviert wurde.

      Es kam darauf an, welches Medium man gelesen hatte. Es gab auch ganz andere „Berichte“.

      Gegenüber Putin und auch anderen (Ex-)Oligarchen, die Putin vertrieben hat (Abramowitsch, Beresowski, …) hat Chodorkowski den Vorteil, dass er ein hübscher, sensibel wirkender Bursche ist.

      Man weiß nicht, ob Putin Abramowitsch vertrieben hat. Es gibt andere Quellen, die sagen sie seien immer noch gute Kumpel. Jedenfalls soll Abramowitsch Putin an die Spitze gehoben haben. Chodorkowski hatte diese Nähe zu Putin wohl nie. Das ist ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden aus meiner Sicht.

      Machtmensch

      Dass Chodorkowski ein Machtmensch war, ist klar. Anders kommt man nicht in die Positionen, die er innehatte.

  2. Was ist denn liberal daran sich fremdes Eiguntum für ein Spottpreis unter den Nagel zu reißen? Eigentum in Milliardenhöhe.Erst sich die Taschen vollstopfen und dann auch noch damit später Politik machen?Ist es nicht normalerweise andersherum? Er wurde gewarnt sich aus der Politik rauszuhalten und hat es nicht getan.Es freut mich für ihn persönlich denn 10 Jahre sind genug aber ich seh den nicht als modernen Robin Hood

    • Es war zu erwarten, dass Einwände dieser Art kommen. Fremdes Eigentum. Spottpreis. Robin Hood. Das sind alles Begriffe, die nicht passen. Was soll in diesem Fall das „fremde Eigentum“ gewesen sein? Wessen Eigentum war es denn vorher? Wem hat Chodorkowski was weggenommen?

      Bei mir ist es so, dass sie Einwände dieser Art immer mehr in Luft auflösen, je älter ich werde und je mehr ich über Lehrstücke dieser Art nachdenke. Ich sehe aber auch, dass die meisten Menschen bei dieser Frage eher so denken wie Sie. Deshalb hat der Kapitalismus auch so einen schweren Stand, während der Sozialismus größeres Ansehen genießt. Im Lehrstück Chodorkowski geht es genau um diese Fragen.

      • Ich bin für den Kapitalismus und das ich kein Linker bin ist Ihnen bekannt.Wie man aber die 90er in Rußland nennen soll das weiß ich auch nicht.Vielleicht das REcht des Stärkeren oder so etwas
        Gehört haben diese Bodenschätze dem Volk würde ich sagen und nicht dem der am besten schmieren kann
        Wenn Sie den Chodorkowski einen lupenreinen Liberalen nennen dann darf ich auch Robin Hood erwähnen

      • Gehört haben diese Bodenschätze dem Volk würde ich sagen und nicht dem der am besten schmieren kann.

        Natürlich haben sie dem Volk gehört. Dem Volk gehörten sie viele Jahrzehnte lang. Von 1922 bis 1991 um genau zu sein. Und was hat es „dem Volk“ gebracht?

        Das ist einer der zentralen Punkte in diesem Lehrstück. Ist es besser wenn man Bodenschätze und andere Bereiche der Wirtschaft im realen oder angeblichen „Volkseigentum“ verkommen lässt oder ist es sinnvoller, wenn man sie in Privateigentum überführt? Und zwar nicht im Sinne der Privateigentümer, sondern im Sinne der Gesamtheit der Einwohner des entsprechenden Landes.

        Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich zu betrachten wie es in der SU war und wie es dann unter Chodorkowski wurde. Wenn Sie wirklich Kapitalist sind, muss ich den Gang der Entwicklung nicht weiter ausführen.

      • So weit zurück wollte ich für die Theorie nicht gehen. Aber leider gibt es keinen wirklich guten Vergleichswert. Bei Wikipedia gibt es höchstens ein paar Tabellen mit dem Gini-Index, der bei den meisten Ländern etwa um 0,05 innerhalb von 30 Jahren gestiegen ist. Dass ist aber zu wenig um zu behaupten, dass der Reichtum immer ungerechter verteilt wird. Der Gini-Index steht nun mal nicht alleine da und sollte mit anderen Statistiken zusammen interpretiert werden. Dazu habe ich keine Lust. Außerdem halte ich die Aussage, das alle einfachen Kohlebergarbeiter Reihenhäuser besäßen haben für Unsinn.

  3. Keine Ahnung, wie man die Neunziger Jahre in Russland mit Liberalität in Verbindung bringen kann. Vielleicht war es irgendeine Form von kleptokratischen Kapitalismus, aber nach 10 Jahren stand Russland noch keinen Deut besser da, als am Ende der Sowjetunion. Ohne einen Funken Rechtsstaatlichkeit kann auch keine Wirtschaftsordnung die Initiative der breiten Bevölkerung fördern. mir ist es doch egal ob es ein Parteifunktionär ist, der mir die freie Entfaltung völlig verbietet oder ein Gespann aus korrupten Politikern und „Liberalen“ die mir das Erschaffene durch üble Tricks nach Belieben wieder nehmen. In den 90ern von Eigentum zu sprechen macht gar keinen Sinn, es war alles nur Besitz, der sich so lange hielt bis ihn sich der nächste griff. Das nun auch gerade die Erfolgreichsten danach für Rechtsstaatlichkeit und gegen Korruption eintreten ist auch kein Wunder, ein Räuber will wenn er fertig mit rauben ist, zukünftigen Diebstahl auch streng bestraft sehen.
    Grauenhafterweise – und das tut fast weh zu schreiben – war es erst Putin, der zumindest einen Hauch von Rechtsstaatlichkeit im Geschäftsleben einführte.
    Wer die Industriebarone in der USA des 19.Jahrhunderts und die Eliten in heruntergekommenen Diktaturen in Afrika für Liberale und Kapitalisten hält, für den mag das ein goldenes Zeitalter gewesen sein. mit einer transparenten, fairen (im streng kapitalistischen Sinne) Marktwirtschaft hatte das aber nichts zu tun.

    • Ich mag diese Art der Geschichtsbetrachtung nicht, bei der man einen Idealzustand an die Vergangenheit anlegt oder in diesem Fall an Systeme, die gerade zusammengebrochen sind. Ich betrachte lieber den Status quo von damals und betrachte dann, ob eine gewisse Person oder eine gewisse Veränderung damals einen Fortschritt darstellten oder nicht. Für mich stellt Chodorowski einen großen Fortschritt zum damaligen Status quo dar. Dasselbe gilt für die Industriebarone des 19. Jahrhunderts. Das sind sogar mit die besten Beispiele.

      • die Abwicklung der komplett maroden Sowjetunion war sicher mit Problemen verbunden – bis zu einem gewissen Grad war ein starker Mann wohl notwendig

        Putin wurde ja eigentlich von Beresowski als Kandidat gegen die Kommunisten aufgestellt.

        leider hat sich Putin als ewiger KGBler entpuppt, der den Westen als Feind betrachtet, auch wenn es den Kommunismus nicht mehr gibt

      • Ich sehe es ein bisschen anders. Nicht Putin hat Russland wieder aufgebaut, sondern Unternehmer wie Chodorkowski (interessanterweise haben aus dieser Gruppe von Unternehmern viele jüdische Wurzeln). Dann als Erntezeit war, hat Putin brutal zugeschlagen, sich die Firmen unter den Nagel gerissen und viele tausend Unternehmer entweder inhaftiert oder vertrieben. Das ging einige Jahre gut, Putin und Russland konnten von den Früchten leben. Nun aber scheint diese Phase sich dem Ende entgegen zu neigen. Zumindest scheint Putin dunkle Wolken zu sehen.

        Ich halte den von dir verlinkten Aufruf von Putin zum Beispiel für echt. Putin fehlen die freien Unternehmer, geblieben sind ihm korrupte, und/oder altkommunistische Politiker und Beamte. Mit diesen Leuten ist kein Staat zu machen. Putin hat das wohl realisiert und will nun mit einer Fülle an Amnesien (Chodorkowski ist nur ein medienwirksames Beispiel) wieder Vertrauen von Unternehmern zurückgewinnen. Die Unternehmer, die diesen Worten glauben schenken, gehen freilich eine hohes Risiko ein, denn die Chance, dass Putin wieder enteignet, sobald sich der Raubzug lohnt, ist groß.

      • @AV
        Stimmt, im Ruhrgebiet haben die Arbeiter alle ein Reihenhäuschen gehabt, und dank Bismarck eine Rente von der sie leben konnten. Welcher Arbeiter kann sich heute noch ein Haus leisten und kriegt eine vernünftige Rente?

      • Solche Äußerungen habe ich in letzter Zeit öfter gelesen. Ich halte diese Weltanschauung für grob verfälschend. Das Auftreten dieser Meinung in so großér Zahl ist für mich ein Beleg wie irreal, undankbar, verzogen und verwöhnt die heutigen Generationen sind. Paul Krugman spricht auch gerne davon, dass es in den 50s viel besser gewesen sei als heute.

        Unter Bismarck zum Beispiel lag die Lebenserwartung vielleicht bei 60 Jahren. Da hat man im Regelfall erst gar keine Rente bekommen! Heute ist die durchschnittliche Lebenserwartung um ca. 18-20 Jahre gestiegen. Das von Bismarck festgelegte Rentenalter von 65 Jahren blieb allerdings bestehen. Heute ist es nicht selten, dass man 20-30 Jahre Rente kassiert. Das ist nur ein Beispiel von vielen wie sich die Lage gewandelt hat. Den heute lebenden Generationen geht es so gut wie keiner Generation in der Weltgeschichte vor ihnen.

      • Solche Äußerungen habe ich in letzter Zeit öfter gelesen. Ich halte diese Weltanschauung für grob verfälschend. Das Auftreten dieser Meinung in so großér Zahl ist für mich ein Beleg wie irreal, undankbar, verzogen und verwöhnt die heutigen Generationen sind. Paul Krugman spricht auch gerne davon, dass es in den 50s viel besser gewesen sei als heute.

        Ich bin auch der Meinung, dass heutzutage alles besser ist als früher. Das bestätigen alle Indexe von der Kindersterblichkeit bis zur Lebenserwartung. Doch vielleicht haben die Kritiker in einem Punkt recht. Das die Arbeiter damals prozentual besser gestellt waren als die heutigen Arbeiter heute. Aber wie geschrieben ist das nur eine Theorie von mir. Falls sie stimmen würde, sehe ich die Inflation als schuldigen, da die Arbeiter als letzte Gruppe von der Inflation betroffen ist, erleidet sie durch die Inflation den größten Verlust.

        Zu Bismark: In „Cashkurs“ von Dirk Müller wird die Rente von Bismark mit der heutigen Rente verglichen. Die Bismark-Rente entspricht auf die heute Lebenserwartung umgerechnet der Rente mit 115 Jahren.

        zu dem Renten-Generationen-Konflikt: Es ist klar und absehbar, dass man nicht vorhat die Baby-Boomer auszuzahlen. Voraussichtlich wird man versuchen die Renten einfach weg inflationären.

      • Sie meinen Relativität? Arbeiter sollen früher relativ näher an den Reichen gewesen sein, als heutige Arbeiter an den heutigen Reichen? Das ist bekanntlich die aktuelle Debatte um die angebliche zunehmende soziale Ungerechtigkeit, um eine Schere zwischen Arm und Reich, die angeblich immer größer wird.

        Selbst wenn diese Theorie stimmen würde, ist man als Arbeiter absolut gesehen natürlich heute am besten dran und nicht 1950 oder 1910 oder 1750. Aber Sie haben Recht die meisten Menschen denken relativ und nicht absolut.

        Witzigerweise stimmt allerdings in aller Regel nicht einmal die relative Theorie der sozialen Ungleichheit, weil die heutigen reichsten Männer (Buffett, Gates) sind sowohl in absoluten als auch in relativen Vergleichen weit weniger reich als die damaligen Industriebarone und Rockefellers. Und von den Kaisern und Königen früherer Zeiten fangen wir am besten gar nicht erst an.

  4. Jetzt vergleichen Sie Äpfel mit Birnen,ich spreche von Chodorkowski nicht von politischen Systemen.Es gehört dem Volk heißt nicht es muß Kommunismus herrschen und das Volk kann Lizenzen vergeben gegen entsprechende Bezahlung so hat es auch was von diesen REichtum.WAs war den seine Gegenleistung? Chodorkowski hat sich die Taschen vollgemacht in einen Ausmaß und in einen Tempo das jeglicher BEschreibung spottet,wahrscheinlich muß man noch ein Wort dazu erfinden

    • Jetzt vergleichen Sie Äpfel mit Birnen, ich spreche von Chodorkowski nicht von politischen Systemen.

      Ich sprach vom Status quo von damals und habe dann betrachtet, ob eine gewisse Person oder eine gewisse Veränderung damals einen Fortschritt darstellten oder nicht. Sie weichen einfach dem Thema aus.

      Was war den seine Gegenleistung?

      Das ist sicher einer der grundlegenden Unterschiede in unseren Meinungen und auch der Grund, warum sie kein Kapitalist sind. Sie tun so als habe Chodorkowski keine Leistung erbracht, außer vielleicht die, dass es in der SU einen mysteriösen Goldesel für das Volk gab, der jeden Tag eine Goldmünze für jeden Russe ausgeschissen hat, während Chodorkowski so dreist war und den Goldesel stahl und alle Münzen für sich behielt.

      So war es aber nicht. Die Wirtschaft der SU lag am Boden, korrupte Politiker besaßen zwar Bodenschätze, aber sie wurden von 1922-1991 selten wirklich effektiv gefördert. Chodorkowski hat keinen Goldesel gestohlen, sondern er hat ein Unternehmen aufgebaut und diese Firma auf Modernität und Produktivität getrimmt. Das ist seine Leistung. Wie reich er dabei angeblich wurde, spielt für mich überhaupt keine Rolle. So wie es für mich keine Rolle spielt wie reich Steve Jobs oder die ALDI-Brüder mit ihren Firmen wurden. Es geht mir nur darum, dass es Unternehmer gibt, die moderne, produktive Unternehmen aufbauen. Dann profitieren alle. Dazu braucht man Privateigentum und Unternehmer wie Chodorkowski.

      • Erstmal frohes Neues
        Steve Job oder Mr.Windows kann man wohl schlecht mit Ch. vergleichen.Die beiden haben mit ihren Ideen in einen stabilen Umfeld ein Vermögen gemacht und viele haben davon profitiert während bei Ch. und den anderen Raubrittern der 90er Jahre nur ein Haufen seine Situation verbessert hat und zwar gewaltig.Wo ist denn Ihr Sinn für Recht und Ordnung geblieben?
        Das kann doch kein Liberalismus sein in einen gesetzlosen Umfeld sich die Taschen vollzustopfen was ich persönlich verstehen kann,würde wahrscheinlich das Gleiche machen aber dann würde ich nie auf die Idee kommen mich einen Liberalen zu nennen.Ich bin zwar auch für so wenig Staat wie möglich aber etwas Staat sollte es schon sein

      • Steve Job oder Mr.Windows kann man wohl schlecht mit Ch. vergleichen.

        Auch Ihnen ein frohes Neues Jahr. Im Bezug auf Liberalismus sind sie nicht mit Ch. vergleichbar das stimmt – beide sind bei weitem nicht so konsequent liberal wie Ch.

    • Das ist der Satz der mich auch sehr stutzig macht. Khodorkovsky ist mi Sicherheit ein Kapitaliist und der zeitwewise wirtschaftlich erfolgreichste Ex-KPD-Funktionär /Mitglied der Jelzin-Junta, aber was ,acht Ihn den zu einem Liberalen.
      Putin könnte ihm diesen Titel auch streitig machen in dem er die de facto-Kontrolle von Gazprom aufgibt und es in sein Privatvermögen überführt. Dann wäre er der reiche Oberkapitalist mit riesigem Privatvermögen und wirtschaftlichem Erfolg – aber würde er dadurch liberal?

      • Ch. ist ein Liberaler aufgrund seiner Weltanschauung, die er in Worten und Taten umgesetzt hat. Was er geleistet hat, habe ich durchaus angerissen. Putin ist so ziemlich das Gegenteil. Die beiden sind fast schon wie Gegenspieler aus einem Roman von Ayn Rand. Hier ein liberaler Unternehmer, dort ein autokratischer Politiker. Die Rezeption ist auch nichts Neues: Der autokratische Politiker wird von den meisten Menschen sehr viel besser bewertet als der liberale Widerpart. Mit aus diesem Grund hat Ch. verloren.

      • Das Putin nicht liberal ist, ist mir klar. Die Frage war rhetorisch. Wir können uns aber sicher darauf einigen, dass Ch. unter den korrupten Politikern in der Yelzin-Ära die ihre Ämter gebrauchten, um sich selbst die Taschen vollzustopfen einer der liberalsten war (welche Bedeutung man dem nun auch immer zumessen will).
        Zur Rezeption Putin vs Khodorkovosky schrieb ja schon K. selber:
        Putin ist weder liberal noch demokratisch, aber immerhin liberaler und demokratischer als 70% der Russen.
        Natürlich weiß man allerdings auch nicht wie viel zu diesem Zeitpunkt (2004, vor dem Prozess und nach der Wahlniederlage) seiner momentanen Lage geschuldet ist.

      • Putin ist weder liberal noch demokratisch, aber immerhin liberaler und demokratischer als 70% der Russen.

        Wenn Putin liberaler ist als 70% der Russen, dann bewegen sich Ch. Zahlen wohl zwischen 95-99.9%. Das macht ihn dann erst Recht zum Liberalen, es sei dann man wolle behaupten, es gäbe in ganz Russland keinen einzigen Liberalen.

  5. Das Renteneintrittsalter lag bei der Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung durch Bismarck übrigens bei 70 Jahren. Da werden wohl nicht allzuviele länger was von gehabt haben.

    • Sie haben Recht bei der Einführung durch Bismarck 1891 waren es sogar 70 Jahre. Während des 1. Weltkrieges kam dann die Absenkung auf 65.

      Beim Thema Renten sehe ich die Kritik der heutigen Jugend als gerechtfertigt an, denn die 68er und Baby boomer nehmen sich heute tatsächlich weit mehr als vernünftig erscheint. Im freien Markt sind Ponzi schemes verboten, unter Protektion des Staates nennen sie es „Rentenversicherung“.

  6. Tut mir Leid aber ich verstehe es einfach nicht:
    Wenn ich einfach maximalen Profit erwirtschaften will und dafür alles mache bin ich also automatisch in meiner Weltanschauung liberal? Wieso war Jobs denn dann nicht liberal?

    • Wenn ich einfach maximalen Profit erwirtschaften will und dafür alles mache bin ich also automatisch in meiner Weltanschauung liberal?

      Nein, so würde ich es nicht sagen. Liberal ist es, wenn man glaubt, dass Privatwirtschaft effektiver ist als Staatswirtschaft. Liberal ist es, wenn man als Unternehmer Verantwortung übernimmt, auch soziale. Liberal ist es, wenn man einem Beinahe-Diktator unter großem persönlichem Risiko die Stirn bietet. Liberal ist es, wenn man 10 Jahre in einem Gulag überlebt, ohne zum Tier zu werden und ohne seinen liberalen Glauben zu verlieren. Das ist für mich liberal.

      Bei Jobs ist es viel schwieriger. Er fiel nicht wirklich durch Aktionen oder Äußerungen dieser Art auf. Jobs hatte auch ganz allgemein viel bessere Rahmenbedingugen. Man weiß nicht wie sich Jobs oder Gates in einem so freiheitsfeindlichen Land wie Russland verhalten würden, auch deshalb ist Ch. für mich weitaus liberaler.

      • Ch. hatte vielleicht einfach Schiss vor dem Raubzug und hat ihn kommen sehen. Hat sich über den Staatsapparat (da war er wohl noch gut genug für ihn) sein Startkapital besorgt und Putin Paroli geboten, weil der seinem Profit (klar, ist auch eine Freiheit) im Weg stand. Ich sehe da nichts großartig liberales, zumindest nicht in der Intention. Ch ist vielleicht moralischer als Putin, das macht ihn aber nicht moralisch, genausowenig wie liberaler als jemand zu sein, jemanden nicht liberal macht. Weiter oben wird davon gesprochen, dass viele Menschen relativ denken. Wenn ich für russische Verhältnisse liberal bin (relativ), muss ich keineswegs liberal (absolut) sein. Ich halte von Ch. nichts, ich sehe auch keine Wohltat darin, Leute anzustellen, um Profit zu machen. Ich sehe da auch nichts schlimmes drin, nicht falsch verstehen.
        Zumal er auch in einige Sachen (Auftragsmord etc.) verwickelt war…

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