Die Kommentare von Wolfram Weimer waren bisher in der Regel lesenswert. Bezüglich der Alternative für Deutschland greift der Journalist allerdings schwer daneben. Weimers Kommentare sind beispielhaft für so einige deutsche Konservative. Deshalb werden sie hier besprochen.
Am 19. April charakterisierte Weimer die AfD in seinem wöchentlichen Handelsblatt-Kommentar noch wohlwollend als „zutiefst bürgerliche“ Protestbewegung, wie sie Deutschland schon lange nicht mehr gesehen habe. Die Partei habe „verblüffend seriöses Spitzenpersonal“. Ein Kreis von Professoren, Wirtschaftswissenschaftlern und Publizisten bilde den Kern „einer zutiefst bürgerlichen Formation“, der verhindere, dass die Partei in Extremismus abgleite. Alle Versuche, die AfD in eine rechtsextreme Ecke zu stellen, dürften daher scheitern, so Weimer.
Dieser Handelsblatt-Kommentar, der sich am Ende gegen die AfD wendet, hat offenbar der SZ so gefallen, dass Weimer gebeten wurde, diesen Kommentar in einem neuen Aufwasch in der SZ zu veröffentlichen. Weimer stimmte zu und formulierte seinen Text für die SZ um.
Von einer zutiefst bürgerlichen Formation frei von Extremismus ist nun keine Rede mehr. Kritisierte Weimer im Handelsblatt noch Versuche die AfD in eine rechtextreme Ecke zu stellen, so unternimmt er in der SZ plötzlich selbst diesen Versuch.
Die AfD mobilisiere neo-nationalistische Affekte in breiter Variation, tönt Weimer in der SZ. Durch die politische Agitation gegen den Euro werde ein Reigen von Ressentiments eröffnet, der nichts Gutes verheiße. Uralte nationalistische Reflexe würden plötzlich wieder wach, man ziehe über Europa und Nachbarn und Institutionen her, man wecke Arroganzinstinkte und Minderwertigkeitskomplexe, Missgunst und einen politischen Egoismus, der tief aus dem 19. Jahrhundert komme, im 20. Jahrhundert die großen Katastrophen befördert habe und im 21. Jahrhundert besser überwunden als wiederbelebt gehöre. Der offene Neo-Nationalismus ziehe ein in die bürgerlichen Salons. Bla bla bla.
Wer denkt wirklich kurzfristig und nationalistisch?
Interessant ist an diesem Punkt nun wieder der Wolfram Weimer aus dem Handelsblatt-Kommentar. Dort freute sich Weimer wie ein Honigkuchenpferd, dass die anderen europäischen Nationen „fest ins Euro-Währungsregime“ eingebunden seien, deshalb könnten sie nicht abwerten, deshalb trumpfe Deutschland nun groß auf. Deutschland sei ein „großer Hedgefonds“. Deutschland profitiere von der Krise. Deutschland bestimme die Spielregeln, die AfD agiere gegen nationale Interessen.
Weimer ist ein Januskopf. Der Weimer aus der SZ wirft der AfD Egoismus vor. Der Weimer aus dem Handelsblatt bemängelt, die AfD denke nicht egoistisch genug. Deutschland stünde dank der Krise so gut da, die anderen so schlecht. Eine solche, alleine für Deutschland, nützliche Position dürfe man nicht verspielen.
Welcher Weimer ist nun näher an der Wahrheit?
Der Weimer aus dem Handelsblatt-Kommentar hat Recht. Deutschland profitiert von der Krise und Merkel bestimmt für den Moment die Regeln im Euro-Raum und damit auch über die anderen Länder. Deutschland hält die Südländer mit dem Währungsregime Euro klein, weil Deutschland für den Moment davon profitiert. Das ist die wirklich nationalistische Position, die von Weimer und allen wesentlichen Parteien im Bundestag vertreten wird. Gegen diese Position kämpft die AfD an. Die AfD ist eben nicht anti-europäisch, sie agiert als einzige deutsche Partei im Sinne Europas und hat eben nicht wie Weimer und Co nur kurzfristige positive Kriseneffekte für das eigene Land im Blick.
Aber die Menschen glauben lieber mehrheitlich Menschen wie Weimer, Merkel, Trittin und Steinbrück. So ist mein Eindruck. Die Menschen glauben den Floskeln vom „Friedensprojekt Europa“, das von Merkel und Co verwirklicht werde. In Wirklichkeit geht es der Politik um gänzlich andere Punkte. Es sind die Punkte, die Weimer der AfD vorwirft: Politischer Egoismus, Arroganz, Missgunst, Feigheit, Größenwahn, Fantasielosigkeit, ökonomische Ignoranz und Chauvinismus. Und da muss man dann einfach sagen:
So be it.
Nachtrag
Ich habe einen Artikel gefunden, der gut zum Thema passt und die Positionen der AfD verständlicher macht. Günter Ederer erklärt darin sehr lesenswert und sehr anschaulich, wie Europas Zukunft gestohlen wird. Er endet mit den Worten: „Nein, der Euro ist kein Friedensprojekt, er treibt Europa auseinander und seine Verteidiger sind unehrliche Egoisten.“
Januskopf ist der richtige Ausdruck. Vielen Dank für den Artikel, stimme Ihnen voll zu.
Danke, bitte, gerne.
SEHR sympathischer Nickname. Dito der Avatar.
Endlich fällt das mal jemandem auf. Womöglich war es ein Fehler, die zeitgenössische Literatur gänzlich zu ignorieren. Hätten Sie eine konkrete Einstiegsempfehlung, um sich Ihrem literarischen Werk zu nähern?
Bernd Lucke darf in vielen Talkshows auftreten, hab ihn neulich bei Lanz gesehen, er scheint offensichtlich mächtige Fürsprecher im Hintergrund zu haben, die den Eurowahnsinn beenden möchten. Lanz hat natürlich seine Verse aufgesagt, die ihm seine Chefs eingebleut haben, ich hab bei seinem Geseiere den Ton abgestellt.
Die Medien haben überdies jetzt bemerkt, dass Merkel aus der DDR stammt, da werden wohl Vorbereitungen getroffen, den Euro langsam zu beerdigen.
Deine V-Theorien in Ehren, aber du denkst viel zu kompliziert. Medien leben von Skandalen und Kontroversen, deshalb wird Lucke eingeladen. Mit persönlicher Sympathie hat das wenig zu tun. Der Ablauf ist immer der gleiche: Erst in den Himmel loben und dann fallen lassen. Je extremer Aufstieg und Fallhöhe, desto besser für Auflage und Quote.
„Die Kommentare von Wolfram Weimer waren bisher in der Regel lesenswert. Bezüglich der Alternative für Deutschland greift der Journalist allerdings schwer daneben.“
Nicht das erste Mal. Der Mann ist für mich ein Rätsel.
Wo griff er sonst noch daneben?
Wie ich bereits erwähnte, schlug er auch schon vor, unsere Goldreserven zu verkaufen. Das wäre ja wohl so ziemlich das Dümmste, was wir tun könnten.
Man weiß nicht einmal, ob das Gold noch da ist. Die meisten deutschen Reserven liegen in New York, heißt es. Wer wann wie (und ob überhaupt) je nachgezählt hat, ist nicht so ganz klar. Gold ist wie so vieles nur Psychologie. Von daher sind Verkäufe theoretisch überlegenswert, aber in der Praxis gar nicht notwendig. Deutschland hat kein Einnahmeproblem, sagt Weimer immer wieder. Und trotzdem will er mit Goldverkäufen Mehreinnahmen generieren. Der Mann ist ein bisschen zu unlogisch für meinen Geschmack.
Laut wikipedia hat die Bundesbank nun auf die Kritik reagiert und will bis 2020 die Hälfte der Goldreserven nach Deutschland holen. Die Lagerung in New York ist allerdings kostenlos, die Lagerung in DL kostet Geld. Für die Lagerung eines kleinen Postens in London bezahlt die Bundesbank gar 500.000€ pro Jahr, will daran aber nichts ändern.
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Goldreserven
@Viewer:
Wenn etwas pure Psychologie ist, dann ja wohl unser Fiatmoneysystem, im Grunde liegt diesem doch nachgerade der kollektive Wahnsinn zu Grunde. Warum galt wohl Gold über unzählige Jahrhunderte hinweg als natürliches Geld? Was ist nun aber das absolute Gegenteil von Gold? Ganz einfach bunt bedrucktes Papier. Der Geldstatus unseres Papiergeldes beruht doch letztlich nur darauf, dass dieser von seiner Heiligkeit dem Staate feierlich verkündet wurde, wobei uns freilich versichert wurde, dass man die Geldschöpfung mit zentralverwaltungswirtschaftlichen Methoden sinnvoll regulieren werde. Sollte man hier dem Staat ernsthaft vertrauen?
Deshalb sollten wir unser gutes Gold nicht gegen noch mehr bloßes Papier tauschen, das letztlich lediglich mit einem einigermaßen windigen Wertversprechen verbunden ist.
Der Unterschied zwischen Papiergeld und Gold ist nicht so groß wie viele Menschen denken. Kann man Gold essen? Kann man sich eine Suppe davon kochen? Was soll man mit Gold machen, wenn es ernst wird? Hirsche und Hasen damit erschlagen? Der Wert des Goldes beruht auch nur auf Konventionen, einer Art von social contract.
Natürlich nicht. Für einen Libertären muss dem Staat großes Misstrauen entgegengebracht werden. Man kann vielleicht nicht alle Aufgaben der Welt privatisieren, aber die Geldschöpfung wäre unbedingt einen Versuch wert.