Verfassung und Währung. Größenwahn für die Ewigkeit.

Thomas Straubhaar für Welt online über den Euro:

Die Währungsunion ist ein Bund für die Ewigkeit.

Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes ist als Ewigkeitsklausel und ‚Ewigkeitsgarantie‘ konzipiert. Diese ‚ewige Garantie‘ besagt:

Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

Allein Deutschland hatte in den letzten 200 Jahren mindestens fünf neue Verfassungen und mindestens ebenso viele Währungsreformen. Davon alleine zwei nach 1945. Von anderen Staaten wie Italien und Griechenland fängt man am besten erst gar nicht an.


 
Griechenland bewegt sich zwischen 13 und 17 Währungsreformen, wenn ich mich richtig erinnere. Es gab mal einen guten FAZ-Artikel, in dem die Währungsreformen der letzten 200 Jahre besprochen wurden. Wer den Artikel findet, darf ihn mir gerne schicken.

Vor diesem Hintergrund wäre ein bisschen mehr Demut angebracht.
Aber unter ‚Ewigkeit‘ machen es Elfenbeinturmbewohner offenbar nicht.

21 Gedanken zu „Verfassung und Währung. Größenwahn für die Ewigkeit.

  1. Bevor die Qualitätsjournalisten darauf kommen, möchte ich noch auf ein paar Gestzte mit Ewigkeitsklausel hinweisen:
    Menschengemachter Klimawandel, Erneuerbare-Energie-Gesetz, Atomausstieg, Dummheit der Journalisten.
    Entschuldigung, jetzt sind sie mit mir durchgegangen! Das Letzte ist kein Gesetz, sondern eine Gesetzmäßigkeit! 🙂 Habe ich im Eifer übersehen!

    Ich könnte mich bekringeln: Euro hat Ewigkeitswert.

  2. Und Art. 146 GG bestimmt:

    „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“

    Das mit der sog. „Ewigkeitsgarantie“ ist mißverständlich. Art. 79 Abs. 3 GG stellt nur klar, dass eine Änderung der dort benannten Staatsstrukturbestimmungen und Grundsätze nur über den Weg des Art. 146 GG möglich ist.

    Wer also z.B. die förderalistische Struktur Deutschlands ändern und einen Zentralstaat nach dem Muster Frankreichs einführen will, kann dafür nicht einfach des Grundgesetz ändern, sondern muss eine neue Verfassung einführen, und zwar durch Volksabstimmmung.

    Wie und ob das mit der Übertragung zahlreicher hoheitlicher Befugnisse auf die EU zusammenpasst, mag sich ein jeder selbst überlegen. Ich habe da Zweifel.

    Grundsätzlich kann man natürlich jede Bestimmung in einer Verfassung, die deren Abschaffung verbietet oder regelt für Quatsch halten, weil derartige Bestimmungen ja über die eigene Gültigkeit sozusagen hinausweisen. Oder um das mal weniger abstrakt zu sagen: Angenommen es passiert das, wovon Linke träumen und morgen gibt’s eine Revolution. Rote/grüne Fahnen und Schießereien überall. Räte werden installiert, die „Reichen“ werden abgeholt und in Lager gesteckt, politische Feinde (wir hier z.B.) gleich mit dazu. Die „große Transformation“ (oder wie immer man das dann nennt) geht los. Weder die Berufung auf Art 79 noch Art 146 GG wird uns dann viel nutzen, weil es letztlich so ist, wie Mao Zedong schon sagte: Die politische Macht kommt aus den Läufen der Gewehre.
    Wenn die ersten Revolutionswirren vorbei sind, wird man eine neue Verfassung schreiben und in Kraft setzen und es wird kein Schwein interessieren, ob Art 146 GG dabei beachtet wurde. 😉

    Zur Idee der „Ewigkeit“ einer Währung mag ich mich gar nicht äußern, so albern ist das. Ich gebe dem Euro noch ein paar Jahre.

    • Das mit der sog. “Ewigkeitsgarantie” ist mißverständlich. Art. 79 Abs. 3 GG stellt nur klar, dass eine Änderung der dort benannten Staatsstrukturbestimmungen und Grundsätze nur über den Weg des Art. 146 GG möglich ist.

      Darauf hoffen ja viele. Die ‚freie Entscheidung‘ der Deutschen wird schlichtweg so aussehen, dass man die aktuelle Verfassung wortgleich übernimmt. Problem solved. Wenn es denn überhaupt jemals zu einer solchen Abstimmung kommt.

      wie Mao Zedong schon sagte: Die politische Macht kommt aus den Läufen der Gewehre. Wenn die ersten Revolutionswirren vorbei sind, wird man eine neue Verfassung schreiben und in Kraft setzen und es wird kein Schwein interessieren, ob Art 146 GG dabei beachtet wurde.

      Stimmt.

    • Ich weiß nicht, ob derartige schwache Kommentare diesem guten Blog gut zu Gesicht stehen. Nicht nur, dass die juristischen Aussagen falsch sind, auch diese irrationale Verunglimpfung polit. Andersdenkender bewegt einen nur selbst in deren zum einen zwielichtige Methoden als auch Absicht nur über ideologische Grabenkämpfe Politik zu betreiben und so eine vernünftige Diskussion zu untergraben (siehe Atomkraft). Zu behaupten rot/grün würde gerne die Leute ins Lager stecken ist einfach mal nur absolut unsinnig und auf ein solches Niveau sollte man sich hier nicht begeben. Das es Unrechtssysteme geben kann besagt ja mal REIN GAR NICHTS über deren Legitimität. Vielmehr ist es so, dass man sich nach dem Sturz von einem solchem System nicht auf dessen Gesetze berufen kann, um bspw. Verstöße gg die Menschenrechte zu verteidigen (Nürnberger Prozesse), bzw. legitimiert dies nachträglich den möglichen Widerstand.

      Es ist zudem nicht einfach möglich die Grundsätze der Verfassung (sprich die von Art.79 geschützten Artikel) zu verändern oder Dinge hinzuzufügen, auch nicht über eine neue Verfassung, auch wenn eine neue Verfassung erarbeitet wird. Eine total-Revision des Grundgesetzes ist im übrigen nicht möglich – so zumindest die einhellige Meinung unter Rechtsphilosophen / Verfassungsjuristen und selbst nach dem Urteil des BVerfG.

      http://www.bverfg.de/entscheidungen/es20090630_2bve000208.html

      „Die Verfassungsbeschwerden zu III. und VI. sind, soweit zulässig, teilweise begründet. Das Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union enthält gebotene Regelungen nicht und ist insoweit verfassungswidrig. […]

      1. Der Prüfungsmaßstab für das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon bestimmt sich durch das Wahlrecht als grundrechtsgleiches Recht (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG). Das Wahlrecht begründet einen Anspruch auf demokratische Selbstbestimmung, auf freie und gleiche Teilhabe an der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt sowie auf die Einhaltung des Demokratiegebots einschließlich der Achtung der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes. Die Prüfung einer Verletzung des Wahlrechts umfasst in der hier gegebenen prozessualen Konstellation auch Eingriffe in die Grundsätze, die Art. 79 Abs. 3 GG als Identität der Verfassung (vgl. BVerfGE 37, 271 ; 73, 339 ) festschreibt. […]

      Mit der allgemeinen, freien und gleichen Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages betätigt das Bundesvolk seinen politischen Willen unmittelbar. Es regiert sich regelmäßig mittels einer Mehrheit (Art. 42 Abs. 2 GG) in der so zustande gekommenen repräsentativen Versammlung. […]

      [UND WEITER!!!:]

      Das Wahlrecht ist der wichtigste vom Grundgesetz gewährleistete subjektive Anspruch der Bürger auf demokratische Teilhabe (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG). In der vom Grundgesetz gestalteten Staatsordnung kommt der Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages eine maßgebliche Bedeutung zu. Ohne freie und gleiche Wahl desjenigen Organs, das einen bestimmenden Einfluss auf die Regierung und Gesetzgebung des Bundes hat, bleibt das konstitutive Prinzip personaler Freiheit unvollständig. Der Bürger kann deshalb unter Berufung auf das Wahlrecht die Verletzung demokratischer Grundsätze mit der Verfassungsbeschwerde rügen (Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG). Das jedem Bürger zustehende Recht auf gleiche Teilhabe an der demokratischen Selbstbestimmung (demokratisches Teilhaberecht) kann auch dadurch verletzt werden, dass die Organisation der Staatsgewalt so verändert wird, dass der Wille des Volkes sich nicht mehr wirksam im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG bilden kann und die Bürger nicht mit Mehrheitswillen herrschen können.

      c) Das demokratische Prinzip ist nicht abwägungsfähig; es ist unantastbar (vgl. BVerfGE 89, 155 ). Die verfassungsgebende Gewalt der Deutschen, die sich das Grundgesetz gab, wollte jeder künftigen politischen Entwicklung eine unübersteigbare Grenze setzen. Eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig (Art. 79 Abs. 3 GG). Mit der sogenannten Ewigkeitsgarantie wird die Verfügung über die Identität der freiheitlichen Verfassungsordnung selbst dem verfassungsändernden Gesetzgeber aus der Hand genommen. Das Grundgesetz setzt damit die souveräne Staatlichkeit Deutschlands nicht nur voraus, sondern garantiert sie auch.“

      Das Verfassungsgericht sagt zwar nicht, ob „diese Bindung schon wegen der Universalität von Würde, Freiheit und Gleichheit sogar für die verfassungsgebende Gewalt gilt“ – deutet dies aber klar an. Es ist nur eben nicht Teil des Urteils gewesen – zeigt sich aber bereits in den vorherigen Urteilen als auch Kommentaren in diesem Urteil.

  3. Es hatte ja auch mal niemand die Absicht, eine Mauer zu errichten.

    Wie sagt man so schön: Vorhersagen sind immer schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.

  4. Ich hab mal ein Interview mit einem Juristen gelesen, der meinte, selbst bei einer moslemischen Mehrheit in Deutschland müsse man überhaupt nicht um die Gültigkeit des Grundgesetzes fürchten, denn dessen Bestand sei ja durch diese Ewigkeitsklausel geschützt.
    Wer lange genug im juristischen Elfenbeinturm lebt, verwechselt offenbar Paragrafen mit Naturgesetzen.

      • Ich bin auch Jurist und kann zwischen Naturgesetz und staatlichem Gesetz sehr wohl unterscheiden. Wenn ich mir ein bißchen mehr Mühe gebe, sogar zwischen zwischen staatlichem Gesetz und Marktgesetz. 😉

      • wenn die Mehrheit gegen die Demokratie ist, nützt auch die tollste Verfassung nichts.

        Dazu sagte der ehemalige Verfassungsrichter Böckenförde sehr treffend:
        „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. (Böckenförde-Diktum)

        Gemeint ist damit. Er lebt davon, dass wenigstens eine klare Mehrheit der Staatsbürger an Freiheit und Demokratie glaubt und diese will. Ist das nicht (mehr) der Fall, kann der Staat den Glauben daran nicht mit staatlichen Mitteln erzwingen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben.

        solange Muslime in der Minderheit sind, genießen sie die Vorteile unserer Verfassun, :sobald sie in der Mehrheit wären, würden sie sich jedoch wohl kaum anders verhalten als in allen Ländern, wo sie die Mehrheit haben und auf Scharia setzen.

        Daran habe ich keinerlei Zweifel ( mehr) . Die entsprechenden Zweifel, die ich früher mal hatte, sind spätestens durch den Auusgang des „arabischen Frühlings“ ausgeräumt.. Das Szenario wäre übrigens ein klarer Anwendungsfall von Böckenfördes Diktum.

      • NEIN sie genießen diese NICHT. Die Grundrechte wie Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit etc. sind VERWIRKBARE Rechte und es wird auch nicht mehr all zu lang dauern, bis dies konsequenter durchgesetzt wird. Das ist ja auch der Grund, warum man sich nciht auf die Meinungsfreiheit berufen kann, wenn man zur Abschaffung unserer Verfassung aufruft (siehe NSU, RAF aber auch Parteien wie die NPD etc.). Siehe: http://www.youtube.com/watch?v=3mpYt9Uk4JA

      • Die Grundrechte wie Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit etc. sind VERWIRKBARE Rechte

        Die Verwirkung der Grundrechte ist in Art. 18 GG geregelt. Ein kurzer Blick in diese Vorschrift genügt, um festzustellen, dass die Religionsfreiheit gerade nicht verwirkbar ist. 🙂

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