Vor ein paar Tagen habe ich den Kommentar von Hannes Stein zum Mohammed-Film kritisiert. (Siehe hier). Er schrieb darin Sätze wie:
Die Fernsehkameras zeigen uns eine winzige Minderheit. Gewiss doch, jene Minderheit ist radikal und gewaltbereit – aber eines ist sie ganz gewiss nicht: zahlenmäßig repräsentativ.
Ich glaube Henryk M. Broder hat der Text von Stein auch nicht besonders gefallen. So schreibt er für die Weltwoche über einen anderen „sensiblen Liberalen“:
Guido Westerwelle, der deutsche Außenminister, dessen Partei, die FDP, derzeit in den Umfragen um die fünf Prozent dümpelt, hat seine eigene Theorie von den Vorgängen in der arabisch- islamischen Welt, die an das Gerede von der „kleinen radikalen Minderheit“ erinnert, mit der die RAF in den 70er Jahren kleingeredet wurde.
Achgut hat den Artikel von Hannes Stein auch noch einmal verlinkt und darunter weitere Links. Alles überschrieben mit der Überschrift: „Eine kleine radikale Minderheit…“
Ich habe ab und an das Gefühl, dass Broder Stein auf den Arm nimmt und kritisiert.
Ist das reine Einbildung von meiner Seite?
Noch eine Minderheit gefunden.
Leser Skipper hatte folgende Idee:
„Man sollte – der Logik des Herrn Stein folgend – vielleicht mal versuchen wissenschaftlich zu beziffern, wie viele Deutsche denn an den Novemberpogromen 1938 (‚Reichskristallnacht‘) aktiv beteiligt waren.
Ich schätze mal, trotz staatlicher Hetzpropaganda und Mobilisierung der SA waren es nicht mehr als 800.000. Also etwa 1% der Bevölkerung. Eine winzige Minderheit!
Die weit überwiegende Mehrheit stand dem Treiben wohl ablehnend (auch weil es den Ordnungssinn störte) oder gleichgültig gegenüber. Man könnte auch sagen, dass es dieser großen Mehrheit ’schnurzpiepegal‘ war, dass zuvor Herschel Grynszpan in Paris einen schwulen deutschen Legationssekretär erschossen hatte.
Die Zahlen sind reine Schätzwerte. Genaue Angaben habe ich nicht gefunden. Angeklagt wurden nach dem Krieg etwa 17.000 Personen. Die meisten davon wurden verurteilt.
Mir ist natürlich auch klar, dass es damals ungleich mehr Opfer gab als bei den neuesten Ereignissen im Zusammenhang mit dem Mohammed-Filmchen. Nichtsdestotrotz zeigt das Beispiel, dass die Stein’sche Argumentation mit der prozentualen Beteiligung oder Nichtbeteiligung der Bevölkerung an solchen Aktionen zu kurz greift und nicht besonders intelligent ist.“
Meine Recherchen zum Thema Reichskristallnacht.
Ich habe nun versucht die Haltung der Deutschen zur Judenverfolgung allgemein und speziell zur Reichskristallnacht herauszufinden und diesen sehr interessanten Artikel im Spiegel zum Thema gefunden. Das Argument von Skipper ist gut:
Zum Testfall [Vorwand!] wurde die so genannte Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938. In Paris hatte Herschel Grünspan, ein staatenloser Jude polnischer Herkunft, der in Deutschland aufgewachsen war, den Legationssekretär Ernst vom Rath erschossen. Goebbels forderte von seinen Gauleitern, die auf gewaltsame Aktionen drängten, überall im Lande „Demonstrationen“ gegen Juden durchzuführen.
Vor Mitternacht zogen die ersten Schlägertrupps durch die Straßen, steckten Synagogen in Brand, plünderten Geschäfte und Wohnungen und misshandelten die Bewohner. Etwa hundert Juden wurden ermordet, die Polizei verhaftete mehrere zehntausend – das größte Pogrom der deutschen Geschichte seit den Verfolgungen im Mittelalter; doch die erhoffte Massenkollaboration blieb aus.
Den Stimmungsberichten der Behörden nach war die übergroße Mehrheit der Deutschen vielmehr empört über das Ausmaß des Pogroms. „Weinen könnte man, schämen muss man sich, ein Deutscher zu sein“, schrieb ein NS-Sympathisant anonym an den Propagandaminister. Ein britischer Journalist berichtete, er habe mit „vielen Leuten gesprochen, und alle ohne Ausnahme waren über die Maßnahmen entsetzt“. Die Führung der SPD, die ein illegales Informantennetz im Dritten Reich unterhielt, resümierte, „dass die Ausschreitungen von der großen Mehrheit des deutschen Volkes scharf verurteilt werden“.
Wenn Hannes Stein also das nächste Mal über „winzige, zahlenmäßig nicht repräsentative Minderheiten“ philosophiert, kann er auch gleich die RAF oder die Nazis als Beispiel bringen.
Die Gier-These und warum sie vom Mainstream ungern benutzt wird.
Gut finde ich am Spiegel-Artikel auch, dass hier die Gier-These dargestellt wird. Normalerweise geschieht das in deutschen MSM kaum bis gar nicht. Warum wird diese These von vielen westlichen MSM nicht dargestellt bzw. verworfen? Das ist ein Thema für einen anderen Artikel.
Nächstes wichtiges Thema: Die Verfolgung der Kopten in Ägypten.
Mein nächster Artikel zum Thema Mohammed-Film wird sich wahrscheinlich genauer mit dem Produzenten Nakoula Basseley Nakoula und seiner unfairen und heuchlerischen Behandlung durch die Medien beschäftigen.
Meine Schätzung über die Zahl der an den Novemberpogromen aktiv beteiligten Deutschen wahr natürlich nur ganz ungefähr.
Genaue Angaben habe ich dazu nirgends gefunden. Angeklagt wurden nach dem Krieg deswegen etwa 17.000 Personen, die meisten davon auch verurteilt.
Auch wenn vielleicht die 10- oder 20- fache Menge an Menschen tatsächlich mitgewirkt hat, war das immer noch ein sehr kleiner Teil des 80-Millionen-Volkes der Deutschen.
Wobei ich Wert darauf lege, dass es mir nicht um die Entlastung der Deutschen ging, sondern nur darum aufzuzeigen, dass das Stein’sche Argument mit den „winzigen Minderheiten“ ziemlicher Unfug ist.
Ja das ist mir klar. Ich habe leider auch nirgends Schätzungen von Historikern gefunden.
Ich habe es im Artikel auch noch einmal ergänzt, dass es reine Schätzwerte sind.
Auch das ist mir klar. Deshalb habe ich auch den Spiegel-Artikel genommen. Wenn sogar der sehr links orientierte Spiegel das gleiche über die deutsche Judenverfolgung schreibt, kann es nicht ganz falsch sein.
Es kommt aber natürlich immer auf den Autor beim Spiegel an. Der Autor scheint mir ganz vernünftig. Einem Augstein hingegen würde ich die gleiche Geschichte nicht glauben.