Viele deutsche Medien schreiben heute Klarsfeld passe nicht zur Linkspartei.
Das stimmt nicht. Klarsfeld passt bestens zur Linkspartei.
„Leider konnte ich keine Mitstreiter gewinnen. Der 68er Generation war die Dokumentensammelei viel zu mühselig.“ So äußerte sich Klarsfeld im Jahr 1987 in einer Reportage der ZEIT. Das ist nur ein Zitat aus einem Gesamtbild wohlgemerkt, aber ich finde es charakterisiert Klarsfeld ganz gut. Nicht verfälschend, aber auch nicht beschönigend. So sieht sich Klarsfeld wahrscheinlich selbst. Mit der 68er-Generation will sie nicht zu tun haben. Klarsfeld ist die ehrliche „Nazi-Jägerin“, die sorgfältig recherchiert.
Beide Selbstbetrachtungen sind reichlich ironisch. Klarsfeld ist 1939 geboren. 1968 war sie 29. Klarsfeld ist eine typische Vertreterin der 68er-Generation. Durch Geburt, aber auch inhaltlich. Die Kontakte zur deutschen 68er-Schickeria waren bestens. Horst Mahler war nicht zufällig ihr Anwalt. Auch der Vorwurf an „die 68er“ nicht sorgfältig genug zu recherchieren ist lächerlich, denn an sich selbst hat Klarsfeld diesen Maßstab nicht angelegt. Klarsfeld verkörpert eine typische 68er-Eigenschaft wie kaum eine Zweite: Die Selbstherrlichkeit.
Ein Beispiel für Klarsfelds schlampige Recherchen ist die Aktion mit der Klarsfeld auf einen Schlag berühmt wurde: Die Ohrfeige gegen Bundeskanzler Kiesinger. Ihr Hauptargument gegen Kiesinger war seine NSDAP-Mitgliedschaft. Dieses Faktum war für Klarsfeld Grund genug Kiesinger als „Nazi! Nazi! Nazi!“ zu brandmarken, der in Deutschland nichts verloren hat. Jedenfalls nichts in Amt und Würden, eher noch vor Gericht. Günter Grass schrieb damals einen viel beachteten Empörungs-Brief an Kiesinger. Heuchelei pur. In heutiger Sprache würde man sagen: Kiesinger ist nicht schön, aber er ist ein Teil von Deutschland. Ein Teil wie Karl Schiller, Böll, Grass und Bockwurst.
Die Methoden von Klarsfeld erinnern an die Methoden der deutschen Doktorarbeit-Schnüffler, die immer nur in eine politische Richtung ermitteln. Auch Klarsfeld lies gerne Politiker von CDU und FDP „auffliegen“ mit vermeintlichen Verbrechen wie einer NSDAP-Mitgliedschaft. Ob jemand wirklich ein Nazi war oder nicht spielte in diesem Augenblick gar keine Rolle. Es ging um den medialen Aufschrei mit dem man dann Politik machte. So funktioniert Parteipolitik bis heute. Menschen wir Klarsfeld sind gerne alles auf einmal: Politiker, Journalist, Historiker, Ermittler, Entführer, Polizist, Gefangenentransporter, Staatsanwalt, Jury und Richter. Bundespräsident ist da nur die logische Krönung.
Out of the Past
Ein häufig wiederholtes Argument von linker Seite gegen Gauck lautete, er sei ein Mann der Vergangenheit. Bezogen war dies vor allem auf Gaucks Aufarbeiten der SED-Diktatur und auf seinen strikten Antikommunismus. Gaucks Einstellung sei ein „Relikt aus dem 20. Jahrhundert“, das in der heutigen Politik nichts mehr verloren habe. Nur stimmt diese Einschätzung nicht. Kommunismus ist nicht von der Bildfläche verschwunden. Kommunistische Diktaturen gibt es weltweit. Kuba, Nordkorea, Vietnam, China, you name it. Der Kommunismus ist nicht tot, er lebt. Nicht zuletzt auch in der deutschen Linkspartei. Diese Linkspartei hat wirkliche politische Macht in Deutschland. Sie ist Teil von Regierungen. Im Osten von Deutschland kommt sie gar großflächig auf 30% und mehr. Gleiches würde ich auch über den Faschismus berichten, wenn ich denn könnte. Aber es ist so: Der Faschismus ist ausgestorben. Es gibt keine faschistische Diktatur mehr auf dieser Welt. Gott sei Dank. Politisch ist der Nationalsozialismus bedeutungslos, vernichtend geschlagen im 2. Weltkrieg, den Todesstoß versetzt am 8. Mai 1945. Das Aufleben einer neonazistischen Partei in Deutschland ist extrem unrealistisch. Vor diesem Hintergrund betrachtet, kommt man eigentlich nur zu einem Schluss: Klarsfeld ist ein Mensch der Vergangenheit, Gauck ist es nicht.
Recht und Gerechtigkeit
Ich habe großes Verständnis dafür, wenn Nazi-Opfer nach dem Ende des zweiten Weltkrieges ihre Häscher bis ans Ende der Welt jagen. Davor ziehe ich meinen Hut. Was ich nicht so ganz verstehe, sind Menschen wie Frau Klarsfeld, die einer ganz anderen Generation entspringen. Die Motivation ihres Mannes ist verständlich, der Eifer von Frau Klarsfeld dagegen hat für mich einen Nachgeschmack. Klarsfeld ist Deutsche mit deutschen Eltern. Ich finde es fragwürdig, wenn sich die Generation Klarsfeld als Richter aufspielt. Genau das ist die deutsche 68er-Generation. Eine Generation von selbstgerechten Richtern, die alles wieder „gut“ machen wollen.
Klarsfeld spricht in dieser Hinsicht gerne von „Gerechtigkeit“. Bei diesem Thema frage ich mich immer: Was soll das sein „Gerechtigkeit“? Wie stellt man „Gerechtigkeit“ her bei Verbrechen, die so ungeheuerlich sind wie die der Nazis? Klarsfelds Methoden waren in dieser Hinsicht ein bisschen arg eigenwillig: Nazis in Deutschland verprügeln, entführen und dann in Frankreich vor Gericht stellen. Wie im Fall des 62jährigen Kurt Lischka, Chef des Pariser Gestapo, dessen Entführung letztendlich aber nicht gelang. Aber sagen wir mal die Operation Lischka hätte funktioniert und er wäre von einem Pariser Gericht verurteilt worden. Ist damit etwa „Gerechtigkeit“ hergestellt? Werden Lischkas Folteropfer und die Tausenden nach Auschwitz Deportierten wieder lebendig, indem man einem mittlerweile alten Mann ein paar Jahre Gefängnis aufdrückt? Gerichte sprechen Recht, sie sind selten zuständig für Gerechtigkeit. Ich persönlich bezweifle, dass es in diesen Fällen so etwas wie „Gerechtigkeit“ geben kann.
Die Opfer ins Zentrum stellen
Natürlich ist es psychologisch für die Angehörigen unglaublich wichtig und geradezu essentiell, dass die Täter verurteilt werden. Opfer von Verbrechen leiden doppelt und dreifach, wenn ihre Opferrolle nicht gewürdigt wird, wenn das Verbrechen vor Gericht nicht anerkannt wird, wenn der Täter nicht zu einer harten Strafe verurteilt wird. Ein würdevoller Prozess und ein hartes Urteil kann helfen einen Abschluss zu finden. Pathetische Worte wie „Gerechtigkeit“ nimmt allerdings auch nach einem solchen Prozess kein Opfer eines Gewaltverbrechens in den Mund. Das ist meine Erfahrung. Diese Urteile schaffen keine Gerechtigkeit, sie ermöglichen im allerbesten Fall ein Leben nach dem Verbrechen.
Wenn dieses Ziel erreicht wird, dann ist das schon sehr viel und wenn dies das Ziel von Frau Klarsfeld war, dann ist es ja in Ordnung. Allerdings habe ich in dieser Hinsicht Zweifel. Es gab schon die Nürnberger Prozesse und Klarsfeld hat sich dann noch um Überbleibsel wie Barbie gekümmert, was sicher nicht falsch ist. Die Frage ist nur, wann ist Schluss? Wenn man es so macht wie Klarsfeld, dann landet man am Ende wirklich bei Kiesinger, Schiller und Grass.
Was wäre aus den 68ern 1933 geworden?
An diesem Punkt stoße ich wieder auf die Eltern von Klarsfeld. Wer waren sie? Bei den Recherchen zu Klarsfeld fiel mir dieses biographische Detail als Erstes auf. In jedem Artikel, den ich gelesen habe, fehlen sie. Für mich ist das sehr auffällig, denn bei ihrem Mann stehen sie natürlich dabei. Für mich ist Klarsfelds Kampf ein Konflikt zwischen der 68er-Generation und ihren Eltern. Eine moralisch ungleiche Position, die Helmut Kohl einmal treffend als „Gnade der späten Geburt“ bezeichnet hat.
Um wen geht es eigentlich?
Ein weitere Frage bei 68ern ist immer: Worum geht es eigentlich? Geht es um die Opfer oder geht es um sie selbst? Auch bei Klarsfeld muss man diese Frage stellen, wenn sie zum Beispiel zur Nachrichtenagentur AFP sagt, die Nominierung durch die Linkspartei sei eine „Ehre“ und eine „Anerkennung und Krönung der Arbeit, die ich seit Jahren leiste“. Sie sei eine „moralische Person“. So sehen sich 68er gerne. Als Personen, die Weisheit und Moral mit Löffeln gefressen haben. Dabei stimmt meistens das Gegenteil. Die Weltanschauung von 68ern ist extrem flexibel. Viele verbindet nur ein Ziel: Die Elterngeneration beseitigen und Platz machen für sich. Moralisch en vogue ist, was einen nach oben bringt.
Das jüdische Schicksal zum Beispiel war 68ern nie wirklich wichtig. Man betrauert die toten Juden gerne, weil die Mehrheit es so macht und weil es nichts kostet. Die lebenden Juden in Israel bekämpft man aus dem gleichen Grund: Die Mehrheit der Weltöffentlichkeit ist gegen Israel und jeder Eintritt für Israel ist mit Nachteilen und mit islamischem Terror verbunden. Auch Klarsfeld geht in diese Richtung. Sie sagt zwar sie sei pro-israelisch, aber sie lässt sich von einer Partei aufstellen, die bekannt ist für ihren Antizionismus und ihren Antisemitismus. Und das nicht erst seit gestern. Antisemitismus ist ein Markenzeichen jeder linksextremen Partei. Der Antisemitismus geht schon auf Marx zurück und wurde spätestens seit der Gründung Israels noch einmal um diverse Facetten erweitert. Klarsfeld lässt sich davon nicht beirren, Hauptsache sie steht im Rampenlicht und ihre Arbeit wird endlich „gewürdigt“. Egal von welcher Seite. Eine Arbeit, die schon immer daraus bestand Nazis in weit fortgeschrittenem Alter hinter schwedische Gardinen zu bringen anstatt sich einmal wirklich gegen den Mainstream zu stellen und mit der eigenen heuchlerischen Generation abzurechnen.
Die Versöhnerin
Gauck wurde nicht ganz zu Unrecht als Spalter bezeichnet. Viele Politiker mögen ihn nicht. Er legt Finger in Wunden, die noch ganz frisch sind. Er stellt sich gegen breite Teile der Bevölkerung, die gerne und aus Überzeugung Linkspartei wählen. Er stellt sich gegen Merkels Politik ohne Eigenschaften. Er stellt sich ganz allgemein gegen Politiker, die auf Angstreflexe von Menschen setzen und daraus eine Dynamik ableiten. Gauck wehrt sich gegen Kapitalismuskritik, wenn sie albern ist und verteidigt eine Freiheit, die in Deutschland von gefühlten 99% der Bevölkerung als Neoliberalismus empfunden wird. Neoliberalismus das ist in Deutschland ungefähr so beliebt wie Neofaschismus. Gauck würde aufstehen gegen verzogene, selbstgerechte Nachfolgergenerationen, die alles haben, deren Mund und Wampe aber gar nicht mehr gestopft werden kann. Neue Generationen, die sich mit iPhone und einer Guy-Fawkes-Maske aus Bangladesh als 99% ausgeben und austicken, weil 1% in noch mehr Luxus schwimmen als sie selbst. Gauck würde vielleicht Parallelen ziehen zwischen der Maßlosigkeit der heutigen Neid-Generation und der deutschen Neid-Generation der goldenen Zwanziger, die es einfach nicht ertragen konnte, dass auf fette auch wieder magere Jahre folgen und dass es 1% Juden in der deutschen Bevölkerung gab, die im Durchschnitt besser integriert, besser ausgebildet und damit auch reicher waren als andere Deutsche.
Klarsfeld wäre in dieser Hinsicht die bessere Bundespräsidentin. Klarsfeld kämpft gegen einen Feind an, den mittlerweile alle Deutschen zumindest oberflächlich als Feind erkennen. Wenn heute 50 Neonazis in Deutschland aufmarschieren, kann man sich sicher sein, dass ein breites Bevölkerungsbündnis mit 5000 Leuten dagegen marschiert und dieses unsägliche Grundrecht namens Demonstrationsfreiheit neuen Interpretationen unterwirft, um die Machtergreifung der Nazis im letzten Moment doch noch abzuwenden. Allseitiges Schulterklopfen. Dieses Surrogat ist wichtig, denn den deutschen Gerichten und Altenheimen gehen beständig die ursprünglichen Nazis aus. Insofern sollten die Deutschen Klarsfeld wählen. Sie würde die Deutschen mit sich versöhnen und im besten Falle bestätigen wie frei von Nazi-Ideologie man mittlerweile doch geworden ist.
Nachtrag
Götz Aly sieht Klarsfeld in einem wunderschönen Kommentar sehr ähnlich. Passend zum Thema empfehle ich auch Alys aktuelles Buch „Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass. 1800 – 1933.“ Hier ein Interview als Vorgeschmack. Aly ist wohl der einzige deutsche NS-Historiker, der bei diesem Thema offen anspricht, was Sache ist. Andere deutsche Historiker machen dagegen nicht selten Politik. Sie heben die Nazis auf einen anderen Stern, mystifizieren den Holocaust und erzählen den Deutschen auch sonst gerne was sie zum Thema hören wollen.
Auch Gauck hat die Entweltlichung des Holocausts schon sehr treffend beschrieben. Man beachte auch die Reaktionen der deutschen Journalisten zu diesem Thema. Angefangen bei Deniz Yücel von der taz, der von Gaucks Rede offenbar komplett überfordert ist.
Könntest du präzisieren, was genau du deutschen Historikern im Gegensatz zu nicht-deutschen Historikern und deutschen Nicht-Historikern vorwirfst?
Der Historikerstreit wurde vom Nicht-Historiker Habermas gewonnen. Jedenfalls haben das die Nicht-Historiker der schwätzenden Klasse so entschieden. Allerdings wird der Holocaust außerhalb Deutschlands genauso „mystifiziert“. Das ist also keine deutsche Erfindung und Deutschland käme massiv unter Druck, wenn es als erstes und einziges Land des Westens ausscheren würde.
Götz Alys Hypothese beruht auf der Tatsache, dass Juden in er Weimarer Republik und auch zuvor wirtschaftlich, akademisch, kulturell die Nase vorn hatten. (Im Durchschnitt freilich).
Diese Tatsachenbehauptung galt noch bis vorgestern als antisemitisch. Götz Aly war entweder sehr mutig, oder ein bisschen naiv, damit in die Öffentlichkeit vor zu preschen. Er hat es aber zu meinem Erstaunen unbeschadet überstanden.
Die Linke hat ein Interesse daran, dass der wirtschaftliche Erfolg von Juden geleugnet wird und als antisemitische Lüge gilt, da man sonst ja eingestehen müsste, dass linke Agitation auch zum Antisemitismus führen könnte, bzw., dass es da Überschneidungen und Gleichklänge geben kann.
Aber der Versuch von Rechtsliberalen und Rechtskonservativen, die Linke als essentiell und historisch antisemitisch hin zu stellen, ist ein ebenso zweckdienliches Ablenkungsmanöver. Ohne säkulare Juden hätte die Linke des 19. Jhdts und des frühen 20. Jhdts. zumindestens ein massives Personal- und Organisationsproblem gehabt.
Nicht nur die Ablehnung von Kapitalisten, sondern auch die Ablehnung von Linken konnte im Antisemitismus münden.
Der Gegensatz war so nicht geplant. Es stimmt, auch amerikanische Historiker mystifizieren den Holocaust. Der britische Historiker Ian Kershaw ist sicherlich der Standard, wenn es um Hitler geht. Ich habe nicht den ganzen Doppelband gelesen, aber das was ich gelesen habe, war seriös.
Irgendwann bricht eben jedes Lügengebäude zusammen. Es war bis gestern in der Tat leider so, dass alleine das Benennen von Fakten als Rassismus gewertet werden konnte. Natürlich nur wenn es der linken Weltanschauung zuwiederlief. Als aufrechter Linker konnte man schon immer über Volkscharakter, intelligente Migranten und dumme Konservative philosophieren, ohne dass es irgendjemanden gestört hätte. Aly hat das durchschaut. Außerdem hat er als alter 68er einen Bonus. Frau Steinbach hätte man diese Analyse sicherlich nicht durchgehen lassen.
Ich sehe das nicht als Versuch, sondern als Tatsache. Wenn man festhält, dass die deutschen Juden im Durchschnitt gebildeter und reicher waren, dann wird klar, warum die Linken ein Problem mit ihnen hatten. Das Motto der Linken ist halt: Wir mögen die Juden nicht, weil sie Juden sind, wir sind ja keine Rassisten. Wir mögen die Juden nicht, weil sie reicher sind. Schere zwischen Arm und Reich und so. Das ist der Taschenspielertrick der Linken, der bis heute so wunderbar funktioniert. Reich sein, klug sein, das ist in diesen Kreisen immer verdächtig. Da muss etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, so die Logik der Linken.
Die „Fairness“ dahinter ist immer: Seinen Besitzstand kann man ändern, seine „Rasse“ nicht. Historisch betrachtet war das aber selten der Fall. Wer in der UdSSR unter Lenin und Stalin „Kulake“ war, der war immer Kulake. Da konnte man sich auf den Kopf stellen, sich grün anmalen, seinen Bauernhof freiwillig hergeben, das hat nichts geändert, man blieb in den Augen der Kommunisten ein reicher Bauer, den man am besten ins Lager gesteckt oder gleich an Ort und Stelle erschossen hat.
Das weiß ich nicht, dazu fehlen mir die Daten. Aber den Begriff „säkularer Jude“, den höre ich oft. Da stellt sich natürlich die Frage was das sein soll. Den Begriff müsste man einmal definieren. Die Trennung von Synagoge und Staat konnte ein „säkularer Jude“ schon einmal nicht wollen, denn es gab damals bekanntlich keinen jüdischen Staat, den man hätte säkularisieren können. Ein „säkularer Jude“ ist vielleicht jemand, der die Aufklärung schätzt, der sich einsetzt für Gleichberechtigung und der den Einfluss der Religion auf soziale Konventionen einschränken will. Das nannte man damals dann vielleicht liberales Judentum oder Reformjudentum. Kurz: Ein „säkularer Jude“ will das Judentum reformieren.
Nun weiß ich nicht, wie viel „säkulare Juden“ sie bei den Linken sehen. Ich sehe da nur Menschen wie Trotzki und Luxemburg. Sollen das „säkulare Juden“ gewesen sein? Das waren eher „gottlose Juden“. Menschen, die sich sicherlich nicht über ihre Religion definiert haben. Religion war nicht wichtig. Oder um noch präziser zu werden: Religion war das Übel, das Opium des Volkes, die Sache mit der man brechen muss, um ein guter Sozialist oder Kommunist zu sein. Wenn man das so sieht, dann stellt sich die Frage, geht das überhaupt, ein gottloser, ein atheistischer Jude sein? Das geht nur, wenn man Judentum als „Rasse“ definiert. Das Judentum ist aber keine „Rasse“, das Judentum ist eine Religion. Ich bin doch auch kein atheistischer Jude, Christ oder Muslim. Ich bin einfach nur Atheist. Punkt.
Aber in Deutschland ist offenbar alles möglich. Der Obergrüne Kretschmann gilt auch als strammer Katholik. Ich habe mal ein Interview von ihm mit der FAS gelesen, da sagt er sein Glaube an Gott sei einprozentig, in Zahlen ausgedrückt also zwischen 1-9%! So gesehen bin ich wohl Jesus.
Katholizismus hat nicht unbedingt etwas mit Glauben zu tun 😉
Man kann es auch als kulturelle Prägung sehen. Wer als Kind als Messdiener an Katholischen Gottesdiensten teilgenommen hat und einen überwiegend Katholischen Freundeskreis hatte ist katholisch geprägt, selbst wenn er später kaum noch zur Kirche geht oder gar Atheist wird.
Entsprechen kann man auch die säkularen Juden betrachten, nicht als religiös aber als kulturell vom Judentum geprägt.
– Nicht das so was für Antisemiten einen Unterschied macht.
In Bezug auf Kretschmann:
Ich schätze ihn nicht als Strammer Katholik ein, da gibt es andere Politiker die mehr diesem Klischee entsprechen.
Als Katholik ist Kretschmann übrigens in Baden Württemberg teil einer Minderheit. Sieht man mal von den alten Reichsstädten – wie Rotweil oder Schwäbisch Gmünd – ab sind die meisten Einwohner Protestanten.
Die meisten Katholiken in Baden Württemberg sind Immigranten, entweder Heimatvertriebene oder spätere Zuwanderer aus Italien, Spanien und Portugal.
Ja das stimmt. Natürlich gibt es säkulare Juden. Die meisten Juden sind säkular. Man muss nicht jeden Samstag in die Synagoge gehen, um ein Jude zu sein. Es reicht, wenn man in eine jüdische Familie geboren wurde und sich kulturell im Judentum verhaftet sieht. Diese Frage stellt sich ja gerade bei Trotzki und Luxemburg. Für Kommunisten ist Religion ein Feindbild, normalerweise brechen diese Leute mit ihrer Kultur. Kretschmann war ja auch eine ganze Weile lang Maoist. In dieser Zeit hat er sich sicherlich nicht als „Katholik“ gesehen.
Nein, als das meiste was Sie hier sagen stimmt nicht. Geschichte ist mein Steckenpferd. Katholiken und Prostanten sind in diesem Bundesland ziemlich genau 50:50, mit leichten Vorteilen für die Katholiken. Das sieht man auch an den Ministerpräsidenten: Späth ist Pietist, Teufel ist Katholik, Oettinger und Mappus sind Protestanten und mit Kretschmann regiert jetzt wieder ein Katholik. Es gibt eine einfache Regel Pi-mal-Daumen-Regel für Deutschland und Europa: Je weiter man nach Süden geht, desto katholischer wird es. Wikipedia schreibt: „Im frühen 18. Jahrhundert war Württemberg das größte protestantische Territorium im ansonsten katholischen Südwesten Deutschlands.“ Diese grobe Orientierung stimmt. Allerdings darf man sich durch den Begriff „Baden-Württemberg“ nicht täuschen lassen. Da fällt einiges unter den Tisch. Zum Beispiel Hohenzollern und Schwaben. Das halbe Bundesland ist ein Flickenteppich. Oftmals liegen protestantische Ortschaften direkt neben katholischen. Ist ein Ort nicht katholisch oder protestantisch, dann findet man meistens Ortsteile, die streng getrennt sind. Wenn ich „katholischer“ Ort sage oder „protestantischer“ Ort, dann ist das natürlich historisch gemeint. Spätestens seit dem zweiten Weltkrieg durchmischt sich das immer mehr. Aber der alten Generation war diese Einteilung sicherlich sehr wichtig. Da hat kein Katholik ein Protestantin ausgeführt oder umgekehrt. Das stand gar nicht zur Debatte.
Mag ja sein das Geschichte ihr Steckenpferd ist, aber ich lebe zufällig hier. Ich bin als Katholik in einer evangelisch geprägten Gemeinde in Alt-Württemberg aufgewachsen, da gab es keine katholischen Ortschaften.
Die einzigen Katholiken dort sind Heimatvertriebene und Ausländer.
Erwin Teufel ist katholisch weil er aus Rottweil ist, einer alten katholischen Reichsstadt. Oberschwaben und Teile der Bodenseeregion sind als ehemalige Teile Vorderösterreichs katholisch.
Aber das alles sind mehr oder weniger Randgebiete.
Die großen Verwaltungszentren des Landes wie Stuttgart oder Karlsruhe sind dagegen evangelisch geprägt gewesen, das wirkt bis heute nach, auch wenn es nicht mehr so deutlich ist wie vor 40 Jahren.
Danke für ihren Kommentar. Aus meiner Sicht widerspricht sich das nicht, was wir beide schreiben. Ich zitiere noch einmal aus meinem 50:50-Link: „Im nördlichen Teil von Württemberg, in den Gebieten der ehemaligen Markgrafschaft Baden-Durlach und in der Kurpfalz ist die Bevölkerung überwiegend evangelisch. Die meisten anderen Gebiete, vor allem der Süden des Landes, sind mehrheitlich römisch-katholisch.“
Das mit dem 50:50 Verteilung stimmt, und katholische Minderheit ist in Bezug auf Verwaltung und Politik zu sehen.
Ich dachte mehr an Sozialdemokratie und Austromarxismus in Österreich. Ich lese gerne die Zeitungen aus dieser Zeit bei ANNO.
Zeitgenössisch und mit Daten unterlegt finden wir einen Hang säkularer Juden zum linksliberalen Spektrum in den USA.
Norman Podhoretz, der Mitbegründer des Neokonservatismus fragt klagend „Why Are Jews Liberals?“ und hofft auf „buyer’s remorse on Obama will finally cause a Jewish shift to the right.“
http://online.wsj.com/article/SB10001424052970203440104574402591116901498.html
Das habe ich mich auch schon oft gefragt, warum unsere Juden so signifikant häufiger Democrats wählen. Amerikanische Juden sind im Durchschnitt gebildeter und reicher als der Durchschnitt, so viel steht fest. Ein paar meiner Überlegungen waren zum Beispiel:
1.Das-reiche-Eltern-Syndrom. Menschen mit reichen Eltern scheinen gehäuft nach links zu tendieren. Ich sage nur Lenin, Luxemburg, Adorno usw. Man könnte auch sagen: Das-Augstein-Syndrom.
2. Die Berufsauswahl. Wenn man reiche Eltern hat, geht man eher in die Geisteswissenschaften, zu den schönen Künsten oder den Medien. Ein Bauarbeiter wird man als jüdischer Bürger eher weniger. Und die paar Unternehmer, Banker und Trader wählen natürlich schon GOP.
3. Das Versprechen von Vorteilen. Die Umverteilung der Demokraten bevorteilt immer zwei. Die politiknahe „Elite“, und die vorgeschobenen „Armen“, die als Rechtfertigung für die Staatseingriffe auf Kosten der Mittelschicht herhalten dürfen.
4. Die Minderheit. Minderheiten wählen gerne links. Die erzkonservativen Muslime in Deutschland wählen auch Linkspartei, Grüne und SPD, wenn sie das Wahlrecht haben.
5. Israel. Schon so einige amerikanische Juden sind anti-israelisch. Viele sind auch schlichtweg genervt vom „Nahost-Konflik“, der nun endlich mal „gelöst“ werden müsse.
Aus Norman Podhoretz‘ Artikel geht hervor, dass das Wahlverhalten seit spätestens 1928 stabil ist. Das widerlegt einige deiner Thesen.
Tyler Cowen verlinkte auf Marginalrevolution einen überaus lesenswerten Artikel über jüdisch-russische Einwanderer. Diese sind offenbar das politische Spiegelbild zu jenen Juden, die 100 Jahre zuvor aus dem Zarenreich kamen. Sie wählen zu 75% republikanisch.
http://www.tabletmag.com/jewish-news-and-politics/63785/what-a-country/
Tyler Cowen’s Kommentar:
http://marginalrevolution.com/marginalrevolution/2011/04/why-are-so-many-russian-jews-republicans.html
P.S.: Die Geisteswissenschaften waren einst elitär und politisch vielfältig..
Also fällt für diese Zeit Punkt 5 weg bzw. wird mit Zionismus ersetzt. Den Rest kann man so stehen lassen.
Goldman bleibt immerhin mit einem ihr zugeschriebenen Zitat im Gedächtnis: „If voting changed anything, they’d make it illegal.“
Was wäre aus den 68ern 1933 geworden?
dieser spannenden Frage ist auch schon Götz Aly nachgegangen:
http://www.perlentaucher.de/buch/28912.html
Herr Aly gefällt mir immer besser. Danke!
Die empörten Verisse der deutschen Presse lohnen sich sicher auch. Besonders Franziska Augstein für die SZ. Selbst die FR hat da mehr Würde bewiesen. Wahrscheinlich war Aly schon damals ein Kolumnist bei der FR. Deshalb die Zurückhaltung.
Das Buch von Götz Aly : „Unser Kampf“ ist wirklich lesenswert. Besonders interessant ist der Vergleich der 68- Bewegung mit den rechtsradikalen Studentenbewegung der Jahre 1925-1933. Beide Bewegungen richteten sich gegen das System. Ich finde es absolut interessant, dass viele 68-er, die sich viel auf ihr antifaschistisches Gehabe einbilden und für die Autobahn unmöglich ist, sich selbst als 68-er Bewegung bezeichnen.
Sehr gut schildert Aly auch, warum viele Linke die Wiedervereinigung so miesmachten: viele mussten ihr parasitäres Leben von Staatsknete aufgeben, weil die Gelder nicht mehr so flossen (abgesehen von Peymann).
Zu den deutschen Historikern: ich bin kein Fachmann aber ich finde Joachim Fest mystifiziert den Holocaust nicht. Völlig ihrer Meinung was Ian Kershaw angeht : pragmatischer, angelsächsischer Stil, der den Dingen auf den Grund geht und keine Ideologien bedient.
Eine kleine Mutmaßung : hat nicht jeder Völkermord der passiert bei aller Analyse einen unerklärlichen Rest, den man als das Böse oder wie auch immer bezeichnet?
Vielleicht ist es ja auch das Erschrecken davor,wozu wir Menschen immer noch fähig sind, obwohl wir uns für so zivilisiert halten?
Gruß
Arthur
Danke für den Buchtipp. Von Fest kenne ich nur die Hitler-Biographie, da steht nicht wirklich viel drin zum Holocaust. Aber Fest ist gut, das stimmt.
Sicherlich. Aly meint, glaube ich, etwas anderes:
Genau das trifft auch auf Künzel-Klarsfeld zu. Mir ist nicht bekannt, dass Klarsfeld im Umfeld ihrer Familie ähnliche Aktionen gestartet hätte wie bei Kiesinger. Waren die Künzels alles Widerstandskämpfer oder wie? Wohl kaum. Deutschlands Widerstandskämpfer kann man an einer Hand abzählen. Hätten die Künzels sich da besonders hervorgetan, wären drei Dutzend Bücher über sie erschienen. Was Klarsfeld mit Kiesinger macht, ist ein typischer Fall von Abspaltung, von Übertragung, von Projektion, von Verschiebung oder wie immer man das auch nennen möchte. Aly nennt es Schuldabwehr.
Ich weis nicht ob sich die Linke mit der Nominierung von Beate Klarsfeld einen Gefallen getan hat.
Angesichts einiger Aktionen von Politikern der Linkspartei – wie etwa der Teilnahme an der GAZA Flotte – könnten den Politikern der anderen Parteien bei der Anhöhrung der Kandidaten durchaus ein paar Fragen einfallen auf die vermutlich Klarsfeld Antworten der Linkspartei nicht gefallen werden.
http://www.publikative.org/2012/02/25/klarsfeld-gegen-gauck/
Beim Lesen Ihres umfangreichen Aufsatzes kam mir ein weiterer interessanter Aspekt in den Sinn. Zuvor allerdings ein kleiner Widerspruch zu Ihrer Definition von „Gerechtigkeit“: in einem übergeordneten, vielleicht moralischen, vielleicht religiösen, vielleicht auch weltanschaulichen Sinne mag ich Ihnen uneingeschränkt zustimmen. Aber hienieden bewegen wir uns, ob in Frankreich oder Deutschland, auf dem Boden eines Rechtsstaates und seiner Gesetze (hierzu fällt mir, leicht off-topic, Tom Cruise ein: „Ich habe soeben wieder das Gesetz entdeckt!“, in „The Firm“).
Insofern ist auch aus Opfersicht dem Gerechtigkeitsempfinden Genüge getan, wenn ein zweifelfrei schuldiger Täter seiner gerechten (sic!) Strafe zugeführt wird. Entscheidend dafür ist allerdings, ob die bestehenden Gesetze auch in einem der Tat angemessenen Rahmen tatsächlich angewendet werden. Genau das halte ich für den wesentlichen Knackpunkt.
Barbie nun ist – leider jedesmal in Abwesenheit – in Frankreich und Bolivien insgesamt 3 x zum Tode verurteilt worden. Man hätte ihn zwar nur einmal hinrichten können, aber man hätte es eben auch tun müssen.
Womit ich zurück bei den gehäkelten Hausfrauen-Tatsachen (Ihr verlinkter ZEIT-Artikel!) wäre. Ihre Zuordnung Klarsfelds, im Gegensatz zu deren eigener Selbstinszenierung, eben gerade zu der sog. „68er“-Generation, halte ich für schlüssig, sehe aber den erwähnten zusätzlichen Aspekt: Weil diese Leute sich ja vor allem dadurch auszeichneten, dass sie eben lieber Mollis warfen, statt das jeweilige Problem mit den legalen Instrumenten des Rechtsstaates zu ändern. Im übrigen schwebt hinter allem Aktionismus doch auch die stille Insinuierung, das „System“, also der Rechtsstaat, sei immer noch eine Diktatur, in welcher man nur mit Anarchie etwas ändern könnte. Der Unterschied allerdings zwischen einer Diktatur und einem Rechtsstaat besteht darin, dass im Falle der Diktatur der brandschatzende, bombende oder ohrfeigende Aktionist zuerst von Freisler niedergebrüllt und innerhalb eines Tages erschossen/gehenkt/geköpft worden wäre, während der „politische“ Aktionist in einem Rechtsstaat bestenfalls strafrechtlich (wg. Brandstiftung, Bombenlegung, Körperverletzung) belangt würde. Und dann immer noch weltweit beachteter Außenmister oder eben auch Bundespräsidenten-Kandidatin werden kann.
Nochmal: Es ist eben einfacher, einen unliebsamen Politiker zu ohrfeigen (zumal diese Aktion dann ja praktischerweise von der Stasi organisiert und gesteuert war), als sich, mit einem entsprechend umfangreichen themenbezogenen Wissen ausgestattet, mit ihm intellektuell zu messen und ihn, ist man von der Richtigkeit der eigenen Sache überzeugt, in eine Debatte zu zwingen, in der dann beide Seiten gleiche Voraussetzungen gehabt hätten. Und aus Sicht der „68er“ einen gewaltigen Haken: die ideale Debatte unter Gleichen wäre nämlich ergebnisoffen. Und damit die Selbststilisierung als Weltkämpfer(in) der Gerechtigkeit dahin.
Genauso verhält es sich mit den spektakulären und dabei so peinlich gescheiterten Entführungsversuchen: Unabhängig davon, dass das Davonkommen wirklich schlimmer Nazis ein echter Skandal ist – und unabhängig davon, ob ihre Dienste für „die Dienste“ wirklich wertvoll genug gewesen sein mögen, dass westliche Regierungen das moralische Totalversagen dafür in Kauf nahmen – unabhängig davon hätte es eben auch hier den Weg des Rechts gegeben. Ungleich schwierger, ungleich langwieriger, ungleich unspektakulärer: prozessual und mit Recherchemitteln dafür zu sorgen, dass die jeweiligen Verbrecher in das Land ihrer gerechten Richter hätten ausgeliefert werden können.
Nicht bei allen wäre das möglich gewesen. Zumal mit einem solchen Land ich natürlich Israel meine. Deutschland hätte nicht dahin ausgeliefert, und nach Frankreich (wg. der verhängten Todesstrafe) auch nicht.
Tatsache dabei bleibt, dass Beate Klarsfeld ganz in der Art ihrer deutschen Altersgenossen schlicht zu faul oder zu eitel war, den schweren Weg zu beschreiten. Sie wählte immer das Spektakel und damit die schillernde Öffentlichkeit. Dies wäre alles nicht weiter schlimm. Sie hat deswegen auch ihre Verdienste, denn ihr eitler und selbstgefälliger Weg hat ja doch wichtige Diskussionen angestoßen.
Nur: wer wirklich Interesse daran gehabt hätte, schlimme und schuldige Nazi-Verbrecher gerechterweise hängen zu sehen, der hätte mit den Stellen kooperieren müssen, die schon Eichmann sicher und professionell nach Israel gebracht haben.
Aber dann wäre man natürlich namenlos geblieben.
Das haben Sie sehr schön ausgedrückt. Genau das habe ich mit meinem Artikel ausdrücken wollen. Vielleicht kam das aufgrund sprachlicher Unzulänglichkeiten nicht deutlich genug heraus. Klarsfeld ging es immer auch ganz gewaltig um sich selbst. Deshalb hat sie auch Kiesinger geohrfeigt und nicht ihren Vater. Klarsfeld wird gerne als Nestbeschmutzerin bezeichnet, aber das ist sie ja gar nicht. Ihr eigenes Nest hat Klarsfeld nie beschmutzt. Es hätte wie sie richtig sagen, auch durchaus andere, effektivere Wege gegeben, um Nazi-Verbrecher zu jagen. Nur ist man auf diesen Wegen nicht selbst im Mittelpunkt. Man ist einfach ein anonymer Agent.
Das öffentlichkeitswirksame Vorgehen von Klarsfeld hatte natürlich auch die angesprochenen Vorteile. Endlich wurde auch in der Gesellschaft offen diskutiert. Dieser Zustand der Offenheit ist nun aber schon lange erreicht. Klarsfeld geht es jetzt nur noch darum, dass man sie beweihräuchert. Das ist ihre Motivation, warum sie antritt, dass sagt sie ja selbst. Es gibt keinen Barbie mehr, denn sie jagen könnte. Klarsfeld geht es heute nur noch um Klarsfeld. Genaugenommen ging es Klarsfeld schon damals in großen Teilen um Klarsfeld.
Die FAZ enthüllt: Klarsfeld hatte Aktionen gegen Kiesinger mit der DDR besprochen
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/bundespraesidentenwahl-klarsfeld-hatte-aktionen-gegen-kiesinger-mit-ddr-besprochen-11670940.html
Man hätte es ahnen können. Aber das es so schlimm ist, hätte selbst ich nicht gedacht.
Erster! (hab ich doch schon am 1.3. jesacht!)
„(…) Es ist eben einfacher, einen unliebsamen Politiker zu ohrfeigen (zumal diese Aktion dann ja praktischerweise von der Stasi organisiert und gesteuert war), (…)“
War diese Aussage vom 1.3. ein sehr guter Tipp von Ihnen oder Insiderwissen? Ich habe so etwas Dunkles geahnt, aber letztendlich konnte mich Klarsfeld in dieser Hinsicht doch blenden.
Man muss sich langsam fragen, was an den deutschen 68ern eigentlich nicht von der SED instruiert war. Die ganze 68er-Show kommt einem langsam vor wie eine DDR-Operation. Kurras, Klarsfeld, die RAF, Carlos. Machen wir es doch kürzer. Wer arbeitete eigentlich nicht mit dem DDR-Regime zusammen?
Nee, war nur’n Tip. Angefangen hatte alles mit der HMB-Phillippika in der WELT vom 23.2. Der äußerte sich selbst für seine Verhältnisse ziemlich heftig. Da ich ihn nun aber seit vielen Jahren lese und sehr schätze, war mir klar, dass der keinen Scheiss schreibt. Wenn Broder also abledert, hat das immer Hand und Fuß. Genau wie seine Andeutung im Schlussatz, bezogen auf Margot Honecker.
Und dann kamen in den diversen Blogs immer neue Hinweise, vor allem aber wieder HMB auf der Achse am 29.2.12 mit etlichen Links zu anderen z.T. historischen Publikationen, aus welchen Klarsfelds Stasi-Kontakte quellensicher belegt waren (und jedem seit Jahrzehnten auch hätten bekannt sein können). Also musste man (gerade vor den eh schon bekannten Hintergründen, die Sie ja genannt haben) nur noch 1+1 zusammenzählen. Das war’s ja schon.
Also, meine kleine Angeberei war gelogen. Der erste, der es gewusst hat (und offenbar schon seit damals gewusst hat!), war HMB. Meine Quelle auf der Achse.
Ansonsten war auch ich, wie Sie, über das Ausmaß ihrer Verstrickung und zusätzlich die so ganz und gar unsozialistische pekuniäre Begierde der Kandidatin dann doch erstaunt.
Lustig, welche eigentlich deutlich vor sich hin ranzenden Leichen im Keller allein durch die Nominierung Gaucks ganz unerwartet ans Tageslicht gespült werden.
Mal was anderes: Sie haben doch bestimmt auch das Kulturzeit-Interview mit Frau Klarsfeld gesehen? Ich habe meiner Frau davon erzählt, die ist Psychiaterin, und die hatte (trotz Info aus 2. Hand und so weiter dennoch) eine ganz bestimmte Vermutung (so in Richtung f03). Sie auch? (Ich frage Sie deshalb, weil Sie den erstklassigen Psychose-Artikel zu Breivik geschrieben haben. Meine Frau hatte mir schon kurz nach der Tat einen ähnlichen Vortrag gehalten!)
Nochmal Klarsfeld: Ob die Stasi- und DDR-Hintergründe von den deutschen Massenmedien wohl nochmal sachgerecht (und rechtzeitig vor der Bundesversammlung) aufgearbeitet werden? Was meinen Sie? Ich glaub’s ja nicht.
Das stimmt. Die Achse ist immer sehr gut informiert. Die Stasi-Kontakte zu Klarsfeld habe ich gar nicht gesehen. Das ist mir irgendwie entgangen.
Das freut mich, dass Ihnen der Breivik-Artikel gefallen hat. Das war bisher mein längster Artikel.
Zu Klarsfeld. Da habe ich von Anfang an auch einen Verdacht. Das Interview hatte ich allerdings bisher nicht gesehen. Ich schaue selten deutsches Fernsehen und Kulturzeit schon gar nicht. Da bleibt man vielleicht beim Zappen hängen, wenn man sich amüsieren will, wobei der Grad zwischen unfreiwilligem Humor und Schmerzensgeld sehr schmal ist.
Eine Demenz, wenn sie das meinen, sehe ich im Interview nicht. Ein Demenzkranker wiederholt zum Beispiel bevorzugt Wörter und Sätze. Gerne, die die man ihm vorgibt. Man fragt zum Beispiel: „Wie alt sind Sie?!“ Und als Antwort kommt dann: „Ja, wie alt bin ich?“
Klarsfeld macht das nicht. Ihre Gedanken erscheinen mir ganz klar. Wobei man sagen muss, dass Demenzkranke oft eine sehr, sehr gute Fassade haben. Da kann man sich schwer täuschen. Nur ist das Thema doch sehr abstrakt und die Fragen sind recht kompliziert, da würde eine Fassade Frau Klarsfeld nicht weiterbringen.
Mir fällt bei Frau Klarsfeld allerdings auf, dass sie immer ein Thema wiederholt. In jedem Interview erzählt sie das Gleiche: Was für eine Heldin sie ist, was für eine enorme Arbeit sie geleistet hat und dass man ihr jetzt endlich, endlich die Anerkennung zugesteht, die sie verdient hat. Es kränkt Klarsfeld ganz unheimlich, dass man ihre Arbeit, aus ihrer Sicht heraus, nicht mit genug Ehrungen würdigt. Dabei schreiben sich die deutschen MSM schon seit Jahrzehnten die Finger wund mit positiven Hymnen auf Klarsfeld. Man muss nur mal durch die Archive gehen.
Wenn diese extreme Themenwiederholung jetzt neu aufgetreten wäre, dann bestünde in der Tat der Verdacht auf eine Demenz. Schauen Sie sich das Interview an, selbst die Moderatorin verdreht die Augen und kann Klarsfeld kaum stoppen. Ich glaube aber nicht, dass das bei Klarsfeld neu ist. Klarsfeld war nach meinen Recherchen schon 1968 so.
Für mich ist Klarsfeld das typische Beispiel für eine narzisstische PS: Ablehnung der eigenen Person und Herkunft nach innen, wechselnd mit übertriebenem Selbstbewusstsein und Selbstherrlichkeit nach außen. Stark eingenommen von Phantasien nach Liebe und idealer Gerechtigkeit. Grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit. Fester Glauben an die eigene herausragende Bedeutung. Verlangen nach exzessiver Bewunderung.
Zur Verteidigung von Frau Klarsfeld muss man sagen, dass eine PS nichts Besonderes ist und dass die Übergänge zu Persönlichkeitsakzentuierungen und „normalen“ Persönlichkeiten fließend sind. Dieser Punkt war mir ja auch bei Breivik wichtig, von dem es heißt er habe „Persönlichkeitsstörungen“. Natürlich hat er das, aber simple Achse-2-Störungen wie PS, erklären seine Symptome bei weitem nicht.
Wenn man sich die Spitzen in Politik, Medien, Sport und Wirtschaft anguckt, dann kann man bei sehr vielen Leuten eine PS diagnostizieren. Besonders verschrien ist ja die dissoziale PS, im Volksmund der „Psycho- bzw. Soziopath“. Nur sind bestimme Ausprägungen der dissozialen PS, sicherlich auch förderlich. Man geht in der Psychiatrie davon aus, dass jede PS und sogar Schizophrenien in bestimmten (milden) Ausprägungen auch positiv sind. Sonst würde es diese „Störungen“ schlichtweg nicht geben. „Positiv“ im Sinne von Überlebensvorteilen natürlich, nicht im Sinne der „Moral“.
Psychopathen zum Beispiel sind oft absolut furchtlos. Das hilft einem natürlich nicht nur als Verbrecher, sondern auch als Held, Entdecker oder Politiker. Narzissten dagegen sind extrem ehrgeizig und sie wollen immer an die Sonne, mit allen Mitteln. Im Falle von Klarsfeld arbeitet man dann auch gerne einmal mit diktatorischem Regime zusammen. Narzissten geht es dabei selten um die Sache. Die Sache ist nur Mittel zum Zweck: Ansehen und Zuspruch. Diese Sehnsucht nach Bewunderung kann allerdings nie befriedigt werden. Man könnte Klarsfeld zur Kaiserin krönen und sie wäre immer noch nicht happy.
Das werte ich mal als rhetorische Frage. Das Leitmedium SpOn bringt seit Tagen den „Skandal“ um Merkel, die Sarkozy im Wahlkampf unterstützt. Das ist das wichtige Titelthema. Diese Heuchelei hat Augstein schon vor Wochen angestoßen, als er behauptet hat, Merkel sei die Erste, die so etwas macht. Bei diesen pathologischen Lügnern fange ich am besten gar nicht an mit einer genaueren psychiatrischen Untersuchung.