Seit Monaten hatte ich wiederholt versprochen den Fall Breivik einmal aus ärztlicher Sicht zu betrachten. Dieses Versprechen löse ich jetzt ein. Die deutschsprachigen Medien verbreiten so viel bewusste oder unbewusste Falschinformationen zum Thema. Dem will ich ein bisschen Rationalität entgegensetzen. Mein Anspruch ist ein seriöser Text. Fachwörter lassen sich deshalb nicht vermeiden. Bei Bedarf werde ich diese für Laien verständlich erklären. Der Artikel ist sehr lang, aber man muss ihn ja nicht in einem Stück lesen. Wer die Einführung nicht braucht, sollte gleich zum Punkt „Zum Thema – Was ist Schizophrenie?“ springen.
Was ist Psychiatrie?
Viele Menschen haben gewaltige Vorurteile gegenüber der klinischen Psychiatrie. Oftmals sogar Angst. Eine Angst die durch Medien und Filme geprägt wird. Also was ist Psychiatrie wirklich? Psychiatrie ist nichts weiter als ein klinisches Fach. Genau wie Innere Medizin oder Chirurgie auch. Das Themengebiet der Psychiatrie ist nur sehr speziell und sehr kompliziert: Das menschliche Gehirn und dessen psychiatrische Störungen. Oftmals wird die Herzchirurgie als Königsdisziplin der Medizin bezeichnet. Ich würde eher die Neurochirurgie, die Neurologie und die Psychiatrie in diese Kategorie einordnen. Das Herz ist nur ein Muskel, eine genial einfach konstruierte Pumpe. Das Gehirn ist ungleich komplizierter. Dazu kommt: Kardiologen und Herzchirurgen behandeln das Herz letztendlich mit ihrem Gehirn. Ist aber das Gehirn krank, haben wir keine übergeordnete Instanz. Wir untersuchen und behandeln das Gehirn mit unserem Gehirn. Man könnte spöttisch sagen: Das ist so ähnlich, als wenn ein Bleistift versuchen würde einen anderen Bleistift zu begreifen. Oder ein Computer einen anderen Computer. Das ist schon eine ganz spezielle Reise ins Ungewisse.
Was sind Psychiater?
Psychiater sind Ärzte, die Medizin studieren und sich nach dem Studium auf Psychiatrie spezialisieren. Zum Teil arbeiten in Psychiatrien auch Menschen die Psychologie studiert haben, also Psychologen. Im Gegensatz zu Psychiatern dürfen Psychologen allerdings in vielen Ländern oft viele banale medizinische Tätigkeiten nicht selbstständig durchführen. Zum Beispiel Blut abnehmen oder Medikamente verordnen.
Freud und die Psychiatrie – Wie arbeitet die Psychiatrie?
Wer Psychiatrie hört, denkt oftmals zuerst an Sigmund Freud. Wie groß die Verdienste von Freud für die klinische Psychiatrie wirklich waren, ist unter Fachleuten umstritten. Ich halte seine Verdienste in dieser Hinsicht für sehr überschaubar, ja oftmals für eher kontraproduktiv. Fakt ist: Die Freud’schen Lehren waren zu seiner Zeit ein sehr anregender, fortschrittlicher Ansatz, aber heute spielt Freud in der Psychiatrie praktisch keine Rolle mehr. Die heutige Psychiatrie ist ein rein wissenschaftlich orientiertes Fach. Man versucht verstärkt alle Definitionen und Methoden kritisch auf ihre tatsächliche Wirksamkeit hin zu untersuchen. Die meisten Theorien von Freud fallen in dieser Hinsicht glatt durch. Freud war eine Anregung, ein wichtiger Katalysator, ein Alpha-Test, der mittlerweile schon lange dutzendfach überarbeitet wurde.
Bessere Kriterien, weniger Hokuspokus
Bis in die 70er Jahre hinein war die Psychiatrie sehr subjektiv und viel mit Hokuspokus verbunden. Die Diagnosen waren extrem stark vom Untersucher abhängig und von der historischen Denkschule des Psychiaters. David Rosenhan, ein amerikanischer Sozialpsychologe, hegte schon lange diesen Verdacht und wollte dies nun beweisen. Seine Vorgehen war ganz einfach: Er selbst klapperte diverse amerikanische Psychiatrien ab und stellte sich dort zum Beispiel mit abgerissener Kleidung und unpassendem Benehmen vor. So ziemlich jede psychiatrische Störung wurde bei Rosenhan diagnostiziert. Jede Psychiatrie stellte etwas anderes fest. Manchmal durfte er sofort wieder gehen, in anderen Fälle wollten die Psychiater ihn über mehrere Wochen oder gar Monate bei sich behalten. Auch Studenten, Hausenfrauen und Kollegen konnte Rosenhan für seine Testläufe rekrutieren. Mit ähnlichen Ergebnissen. Letztendlich haben die Rosenhan-Experimente ein Umdenken in der Psychiatrie bewirkt.
Jede psychiatrische Krankheit bekam von nun an möglichst genaue Kriterien bezüglich der Symptome, die vorhanden sein müssen (=Schwerekriterien). Außerdem müssen die Symptome über eine ganz bestimmte Dauer vorhanden sein (=Zeitkriterien). Damit war die Psychiatrie das erste medizinische Fach überhaupt, das Wert auf transparente Definitionen legte. Diese strengen, aber eigentlich relativ simplen Kriterien gibt es natürlich auch bei der Schizophrenie.
Zum Thema – Was ist Schizophrenie?
Schizophrenie kann in vielen verschiedenen Formen auftreten. Alle Formen zu nennen wäre zu kompliziert. Es gibt aber einen relativ einfachen, übersichtlichen Weg: Die Zeit- und Schwerekriterien. Ich werde mich relativ streng an den deutschen Kriterien orientieren, die sich wiederum stark von unseren amerikanischen Kriterien beeinflusst werden. Zuerst die Schwerekriterien, die man im Falle der Schizophrenie in die Gruppen A und B unterteilt hat.
Gruppe A
bizarrer Wahn
Ich-Störungen
befehlende Stimmen
Gruppe B
Halluzinationen
formale Denkstörungen
Katatonie
Negativsymptome
sozialer Rückzug
Wie viele Kriterien muss man mindestens erfüllen?
Ein Kriterium der Gruppe A oder zwei Kriterien der Gruppe B.
Außerdem das einzige Zeitkriterium: Vier Wochen. Mehr nicht!
Was hat Breivik?
Breivik hat aus meiner Sicht ganz klar einen bizarren Wahn. Allein durch dieses einzelne, aber sehr spezifische Kriterium erfüllt Breivik die Diagnose Schizophrenie. Natürlich würde man auch noch untersuchen, ob vielleicht andere Symptome vorhanden sind. Je mehr desto besser. Das kann ich aus der Ferne allerdings schlecht. Das geht nur im persönlichen Gespräch.
Wurden bei Breivik noch weitere Symptome gefunden?
Ja. Die Gutachter konnten neben dem bizarren Wahn noch formale Denkstörungen, Negativsymptome und sozialen Rückzug feststellen. Damit sind wahrscheinlich zusätzlich drei Kategorie-B-Kriterien erfüllt. Für die Diagnose nötig ist das nicht. Aber doppelt und dreifach hält natürlich besser. Die Gutachter klappern auch nicht nur stur diese Kriterien ab. Jedes Land hat oftmals eigene Algorithmen und Traditionen.
Die Algorithmen sind in der Praxis auch ausführlicher. Mit Check und Gegencheck und Einbeziehung aller Differentialdiagnosen. Das kann ich jetzt nicht alles ausbreiten. Man kann aber getrost davon ausgehen, dass neun erfahrene forensische Psychiater nach monatelanger Arbeit eine Diagnose hinbekommen, die zutrifft.
Was ist der Kern einer Schizophrenie?
Der Kern der Schizophrenie sind Ich-Störungen, ein Fachbegriff, den ich an dieser Stelle nicht ausbreiten werde. Nur so viel: Im Grunde sind alle Kategorie-A-Kriterien Störungen des Ichs. Neue Ansätze gehen davon aus, dass Schizophrenie letztendlich eine Störung der Ich-Empfindung ist. Zum Teil können Schizophreniekranke nicht mehr ihr eigenes Ich abgrenzen. Sie glauben zum Beispiel ihre eigenen Gedanken würden ihnen von außen eingepflanzt. Eigene Gedanken können auch als fremde Stimmen empfunden werden. Oder wie im Falle Breivik: Man ist Tempelritter und man ist verdammt noch mal auf einer Mission. Also Platz da!
Was ist ein bizarrer Wahn?
(Achtung sehr langer Abschnitt. Kann übersprungen werden bis zum letzten Absatz über Man on Fire)
Natürlich könnte ich jetzt mit schön formulierten, wissenschaftlich korrekten Begriffen kommen, aber das kann jeder selbst recherchieren. Einen bizarren Wahn versteht man wie fast alles in der Medizin zudem erst, wenn man ihn schon ein paar Mal real gesehen hat. Dann ist die Diagnose einfach. Die Grundrichtung beherrschen allerdings auch Laien ziemlich intuitiv. Herr Lippestad ist dafür ein gutes Beispiel.
Breiviks sozialdemokratischer Verteidiger Lippestad hat sofort nach dem ersten Gespräch mit Breivik festgestellt: Der Mann ist nuts, Kuckuck, total verrückt, psychiatrisch schwer erkrankt. Das ist eine typische Reaktion auf einen bizarren Wahn. Das ist ein richtiges Aha-Erlebnis. Man geht in den Raum hinein, trifft die Person und denkt dann ab einem bestimmten Punkt: Oh my God, das kann doch nicht war sein. Diese Person ist nicht von dieser Welt.
Anfangs hat man bei den Erzählungen eines Schizophrenie-Patienten oft Probleme ein Grinsen oder gar ein lautes Lachen zu unterdrücken. Ein bizarrer Wahn kann unglaublich komisch sein. Dann wiederum kann man an Punkte kommen, an denen einem wirklich kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen. Man merkt, es ist dem Erkrankten wirklich sehr ernst. Der Schizophreniekranke akzeptiert die Realität nicht. Er verhält sich für einen Laien irreal und nicht vorhersehbar und das macht Angst. Mitunter extreme Angst.
Wir bewegen uns alle auf einem common ground. Es gibt Dinge, die für jeden Menschen selbstverständlich sind. Schizophreniekranke halten sich nicht an diese elementaren Regeln. Oft geht das schon beim Hände schütteln los, manchmal dauert es auch bis zum gezielten Nachfragen. Aber irgendwann tut sich ein Abgrund auf. Das ist typisch für einen bizarren Wahn. Dieser Abgrund.
Wer den Film Beautiful Mind gesehen hat (Achtung Spoiler in diesem Abschnitt), wird diesen Aha-Effekt, diesen Abgrund schon kennen. Im zweiten Teil des Filmes denkt man lange, der an Schizophrenie erkrankte Mathematiker Nash wäre unter antipsychotischer Therapie und damit stabil. In Wirklichkeit hat er seine Tabletten heimlich abgesetzt. Seine Frau findet dann am Waldrand unweit des Hauses eine kleine Hütte, die ihr Mann von oben bis unten mit Zeitungsausschnitten und Verschwörungstheorien ausgekleidet hat. Der Anblick dieser grotesken Hütte macht Angst. Man denkt wieder: Oh my God. Man weiß genau: Mit diesem Menschen stimmt etwas nicht. Er hat sich nicht unter Kontrolle. Er kann die Realität nicht mehr erkennen und veranstaltet im geheimen Dinge, die nicht rational sind. Schizophrenie ist keine „gespaltene Persönlichkeit“ wie Laien oft glauben. Schizophrenie ist eher die Unfähigkeit die Realität von der Einbildung zu unterscheiden.
(Das Krankheitsbild „gespaltene Persönlichkeit“ ist nebenbei erwähnt höchst umstritten. Wenn es diese Krankheit denn wirklich gibt, ist sie extrem selten und hat nichts mit Schizophrenie zu tun.)
In den ersten Minuten des Breivik-Falles kann man noch denken: Der Mann ist ein „normaler“ Rechtsradikaler. Außerdem anti-islamisch eingestellt. Dann merkt man diese Bestimmtheit, diese Radikalität und denkt: Das geht schon ins Wahnhafte. Alles dreht sich nur noch um ein Thema, die eigene Weltsicht ist unverrückbar.
Dieses Drehen um ein Thema verbunden mit einer unverrückbaren Weltsicht kann man im Übrigen auch in vielen Religionen und Ersatzreligionen (Stichwort: „Umweltbewegung“) beobachten. Ein Bezug zur Realität ist bei diesen Gruppierungen allerdings immer noch vorhanden. Es ist zwar nicht wirklich rational zu glauben, dass demnächst ein AKW explodiert und Tausende Menschen in den Tod reißt. Jedenfalls aus meiner Meinungn nach nicht. Das Thema hat für mich keine Priorität. Aber das ist Ansichtssache. Es gibt sicher genug Deutsche, die mir in allen Farben und Schattierungen das genaue Gegenteil ausmalen können.
Der Übergang Normalität zu Wahn ist im Prinzip fließend und hängt stark von gesellschaftlichen Konventionen ab: Was die Gesellschaft als normal empfindet, ist kein Wahn, was die sie als irreal bis unmöglich beurteilt, ist ein Wahn. So sieht es die heutige Gesellschaft zum Beispiel seit Tausenden von Jahren als nicht wahnhaft an, wenn jemand behauptet er sei Gottes Sohn und wurde durch eine Jungfrau geboren. Die Grenze zum Wahnhaften, zum Verrückten wird dagegen in den Augen vieler Journalisten überschritten, wenn man Islamismus für eine ernste Gefahr hält. Das fällt in der heutigen Zeit unter „Islamophobie“ und ist damit eine wahnhafte, psychiatrische Phobie. Allein schon aus diesem Grund müssten die Massenmedien Breivik eigentlich für verrückt erklären. Sie müssten nur mal ihrer eigenen Logik folgen. Aber Breivik darf nicht verrückt sein. Das passt nicht ins Weltbild der aktuellen Gesellschaft.
Für die Diagnose Schizophrenie reicht die Fantasiewelt der Medien sowieso nicht aus. Selbst ein echter, psychiatrisch korrekt definierter Wahn ist an sich nichts Besonderes. Ein echter Wahn kann bei vielen Krankheiten auftreten. Auf das kleine Wort „bizarr“ kommt es an. Und Breiviks Wahn ist mit „bizarr“ bestens beschrieben. Ein „normal“ wahnhafter Rechtsradikaler hört dort auf, wo Breivik erst anfängt heiß zu laufen. Man muss nur einmal in Breiviks Manifest hineingucken, das sind 1000 Seiten bizarrer Wahn. Breivik geht weiter über rechtsradikale Wahnvorstellungen hinaus. Zum Beispiel sieht sich Breivik als Tempelritter. Als Mitglied eines Ordens, der schon 1312 aufgelöst wurde. An dieser Stelle wird es extrem bizarr. Breivik behauptet ernsthaft, er wäre der Anführer des norwegischen Tempelritter-Ordens mit Ablegern in ganz Europa. Wichtig für die Diagnose: Der Orden ist rein imaginär. Es gibt keinen Anhalt für seine Existenz. Breivik sieht sich zudem als König. Als zukünftiger Monarch Norwegens. Auch das ist wichtig für die Diagnose Schizophrenie. Mit der Realität hat das Ganze nichts mehr zu tun.
Man on Fire
Was auch ganz typisch ist für eine Schizophrenie: Breivik sieht sich auf einer Mission. Er muss seine Botschaft unbedingt unter die Leute bringen. Koste es was es wolle. Man muss sich nur jeden öffentlichen Auftritt von Breivik anschauen, der Mann ist eigentlich eine Blickdiagnose. Jeder Terrorismusverdächtige hält bei diesen Gelegenheiten sein Mundwerk und lässt sich von guten Anwälten vertreten. Breivik hingegen ist der Prozess und seine Strafe absolut egal. Er will nur eines: Die Leute müssen endlich begreifen, was er begreift, sehen was, er sieht, handeln wie er handelt. Im Gesamtbild ist das Schizophrenie pur.
Den Erkrankten fehlt auch jedes Taktgefühl, ihnen ist nichts peinlich. Wenn die Angehörigen im Gerichtssaal sitzen, legt Breivik noch einen drauf und versucht ihnen ernsthaft zu erklären, warum es absolut notwenig gewesen sei, ihre Kinder zu erschießen. Ob sie das denn nicht einsehen? Außerdem solle man ihn doch jetzt bitte freilassen. Schließlich habe er wichtige Aufgaben zu erfüllen. Eine Auszeichnung solle man ihm geben, kein Gefängnis sondern einen Thron.
Auch fehlende Krankheitseinsicht ist für Breiviks Krankheit typisch. Breivik ist hochgradig beleidigt, wenn man ihn als psychiatrisch erkrankt bezeichnet. Er sei nicht verrückt, verrückt sind höchstens alle Anderen.
Warum ist Breivik nicht schon längst in der Psychiatrie?
Die Antwort ist aus meiner Sicht einfach: Gutmenschentum. Politik. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Zum einen ist es die Tat selbst, die einfach zu ungeheuerlich ist. Die Menschen wollen eine solche Tat „bestraft“ sehen. Menschen suchen immer einen „Sinn“ und wenn man einen Massenmörder mit 77 Opfern für unzurechnungsfähig erklärt, dann ergibt das für viele Menschen keinen Sinn.
Zum anderen ist es der politische Wahn von Breivik, der die Menschen so auf die Palme bringt. Wäre Breivik apolitisch oder links und hätte Breiviks Wahn darin bestanden 77 Neoliberale zu erschießen, dann wäre Breivik wohl schon längst in der Psychiatrie.
Die Entstehung und die Reaktionen auf Breiviks Diagnose
Zwei der erfahrensten forensischen Psychiater Norwegens haben Breivik über Monate untersucht, dutzende, stundenlange Gespräche mit Breivik geführt, Videoaufnahmen der Tat und der Verhöre gesichtet, Breiviks Umfeld befragt und am Ende wurde die Hauptdiagnose bestätigt, die jeder Nicht-Laie schon nach drei Minuten im Verdacht hatte: Paranoide Schizophrenie aktuell und was noch viel entscheidender ist: Zur Tatzeit.
Das Gutachten wurde vom Norwegian Board of Forensic Medicine bestehend aus sieben Professoren und Fachleuten noch einmal überprüft und bestätigt.
Gleich nach der Veröffentlichung ging der zu erwartende Shitstorm los und jeder Psychiater weltweit, der einmal Lust hatte auf 15 Minuten Ruhm, durfte in den Medien seinen neun Kollegen widersprechen. Das gibt ein wunderbares Bild über die Psychiatrie an sich ab, ist sehr kollegial und ganz nebenbei erwähnt in der Sache falsch. Aber richtig und falsch interessiert ab einem bestimmten Punkt dieser typischen Hysterie kaum noch jemanden.
Es gibt in der veröffentlichten (und wahrscheinlich auch in der öffentlichen) Meinung von Anfang eine ganz klare Tendenz und diese Tendenz heißt: Breivik ist nicht verrückt. Breivik ist voll schuldfähig. Auf dieses Ziel wird nun so lange hingearbeitet, bis das Ergebnis stimmt.
Dass der Richter sich diesem Druck beugt und noch ein weiteres Gutachten in Auftrag gibt, ist verständlich. Der Mann ist Laie, was soll er auch anderes machen? Aber wie handelt der Richter, wenn das zweite Gutachten da ist? Wenn das zweite Gutachten wieder sagt Schizophrenie, gibt er dann noch ein drittes, viertes und fünftes Gutachten in Auftrag so lange bis das Ergebnis stimmt? Und was ist, wenn das zweite Gutachten sagt, keine Schizophrenie? Das wäre der Super-Gau für Richter und die norwegische Psychiatrie an sich. Wem soll man dann noch vertrauen? Wir sind dann wieder in den siebziger Jahren zu Zeiten von Rosenhan: Harte Kriterien gelten nicht mehr. Jeder Psychiater macht was er will. Eine Diagnose ist Glücksspiel und beeinflussbar durch Druck von außen.
Letztendlich mitentscheidend für das zweite Gutachten waren eventuell Mitarbeiter des psychologischen Dienstes in Sandvika, die das Ila-Gefängnis, in dem Breivik einsitzt, mitbetreuen. Man muss sich das so vorstellen: Das sind (hoffentlich) Ärzte, die in Sandvik eine regionales Psychiatrie-Zentrum betreiben und von der Gefängnisleitung gerufen werden, wenn diese auffällige Insassen bemerkt. Die Ärzte kommen dann für kurze Zeit ins Gefängnis, schreiben ein Konsil und düsen wieder ab. Im Fall Breivik wurden diese Betreuer relativ früh gerufen und zum damaligen Zeitpunkt will der gerufene Dienst keine psychotischen Anzeichen (also zum Beispiel einen ausgeprägten Wahn) entdeckt haben.
Breivik hat offensichtlich auch noch nie Antipsychotika erhalten. Öffentlich gemacht hat der Konsildienst diese Ersteinschätzung damals natürlich nicht. Erst nach dem Gutachten der beiden forensischen Psychiater brach der Konsildienst sein Schweigen. Wie genau dieser Dienst seine Informationen verbreiten konnte, ist mir ein Rätsel. Denn auch in Norwegen muss es so etwas wie Schweigepflicht geben. Vielleicht haben sie ja den Richter kontaktiert oder dieser hat sie von selbst einbestellt. Aber selbst vor Gericht dann darf man in vielen Ländern nicht einfach vor Gericht seine Schweigepflicht brechen.
Das größere Rätsel ist für mich allerdings wie man bei Breivik keine Psychose (zum Beispiel keinen bizarren Wahn) diagnostizieren kann. Der Mann versprüht Symptome aus allen Poren, aber dieser Dienst behauptet, man sehe nichts.
Das ist schon sehr dubios.
Persönlichkeitsstörungen – Zwei Hände und zwei Füße
Diese Version der Geschichte liest man oft in den Medien. Breivik habe keine Schizophrenie, sondern eine „Persönlichkeitsstörung“. Das ist meines Wissens auch die Diagnose des psychiatrischen Dienstes aus dem Provinznest Sandvika. Da muss man sich schon an den Kopf langen, wenn man so etwas liest. Mit der gleichen Berechtigung könnte man sagen: Breivik hat keine Schizophrenie, er hat zwei Hände und zwei Füße.
Persönlichkeitsstörungen sind absolut nichts Besonderes, schon gar nicht im Gefängnis. Man geht davon aus, dass über 90% aller Gefängnisinsassen eine Persönlichkeitsstörung haben. Natürlich hat Breivik eine Persönlichkeitsstörung. Nicht nur eine! Wenn man lustig ist, kann man bei Breivik eine paranoide, eine schizoide, eine antisoziale und eine narzisstische PS diagnostizieren. Super. Mit einer Schizophrenie verwechseln kann man all diese PS nicht. Die Kriterien sind klar voneinander getrennt. Ein Wahn kann zwar auch bei der paranoiden PS vorkommen, ist allerdings niemals so dominant und so bizarr wie bei Breiviks Schizophrenie. Eine Ähnlichkeit zur Schizophrenie und damit eine minimale Verwechslungsgefahr hat nur die schizoide PS, die manche auch als „kleine“ Ausprägung einer Schizophrenie betrachten. Das Wort klein ist entscheidend. Breiviks Schizophrenie ist nicht klein. Sie ist überlebensgroß. Sie dominiert seit Ausbruch sein ganzes Leben und jeden seiner Auftritte. Persönlichkeitsstörungen sind selten so dominant. Die amerikanische Psychiatrie unterteilt psychiatrische Störungen in fünf Achsen. Achse-I-Störungen sind hochakute Erkrankungen wie Schizophrenien, Depressionen und Manien, die das Leben des Patienten maximal beherrschen. Bei einem extremen Fall wie Breivik sucht man natürlich als Erstes nach Achse-I-Störungen. Das ist die wahrscheinliche Richtung und hat oberste Priorität. Bei einem Verkehrsunfall versorgt man auch nicht zuerst den eingerissenen Fingernagel, sondern doch lieber das offene Schädel-Hirn-Trauma. So ist es bei psychiatrischen Patienten auch. Persönlichkeitsstörungen interessieren im Fall Breivik absolut nicht.
Persönlichkeitsstörungen sind, wie der Name schon sagt, ein relativ fester, chronischer Bestandteil der Persönlichkeit. Sie gehören zur Achse II und sind damit für den klinischen Psychiater schon fast nicht mehr interessant. Medikamentös kann man da wenig machen und „Psychotherapie“ für über 90% der Strafgefangenen?! Lieber nicht.
Ist eine Schuldunfähigkeit bei Schizophrenie gerechtfertigt?
Forensische Psychiater werden sich noch aus einem anderen Grund auf Achse-I-Störungen konzentrieren: Nur hochdramatische Erkrankungen wie eine Schizophrenie rechtfertigen eine Schuldunfähigkeit. Die Schuldfähigkeit ist der wesentliche Punkt des gesamten Gutachtens. Deshalb bestellt der Richter einen Gutachter. Die forensischen Gutachter konzentrieren sich natürlich auf diesen Punkt. Ist es „gerecht“, dass schizophrene Patienten schuldunfähig sind? Klare Antwort: Ja. Wer schon einmal mit an Schizophrenie Erkrankten zu tun hatte, sieht das schnell ein. Ich denke meine Ausführungen haben auch Laien einen kleinen Ausblick gegeben wie extrem weit der Kontrollverlust bei einer Schizophrenie geht. Wer nicht mehr erkennen kann, was real ist und was nicht, wer nicht einmal mehr seine eigenen Gedanken für eigenen hält, kann in einer aufgeklärten Welt nicht schuldfähig sein.
Kann man eine Schizophrenie nur vorspielen?
Einfache Antwort: Ja, man kann. Theoretisch. Wie man an den Kriterien sieht, gibt es keinen Labortest und keine Bildgebung, mit der man eine Schizophrenie beweisen könnte. Das Gegenteil ist der Fall: Ein Patient mit einem Gehirntumor, kann durchaus alle Symptome einer Schizophrenie aufweisen, aber dies ist dann per Definition keine Schizophrenie, sondern eine organische Psychose. Eine Schizophrenie zeichnet sich also immer dadurch aus, dass man eine Erkrankung findet, aber nicht wirklich eine sichtbare organische Veränderung. Die Kriterien zur Diagnose gewinnt man alleine durch Beobachtung und Befragung des Patienten bzw. seines Umfeldes. Das ist allerdings bei allen psychiatrischen Krankheiten so. Da würde ich mir nicht gerade die Schizophrenie heraussuchen. Theoretisch ist ein Fake also möglich, aber gerade im Falle der Schizophrenie ist das sehr, sehr schwer. Am Beispiel des bizarren Wahns sieht man wie schwer. Breivik müsste die Kriterien genau kennen, nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Woher soll er diese Praxis haben? Er müsste zudem diese immense schauspielerische Leistung seit Monaten aufrecht erhalten. Wozu? Damit man ihn mit Antipsychotika vollpumpt? Möglich. Es gibt Studien, die behaupten viele Antipsychotika verändern das gesunde Gehirn nicht. Ausprobieren würde ich es als Gesunder trotzdem nicht. Allein schon die Nebenwirkungen können massiv sein. Die Chance das Breivik ein Fake ist, geht gegen Null. Wenn er das wirklich so geplant hat, dann wird er auch wissen, dass man in Norwegen nur maximal 20 Jahre ins Gefängnis kommen kann. Momentan genießt Breivik drei Einzelzellen: Eine zum Schlafen, eine mit Fernseher, Playstation, Computer und eine dritte Zelle, die zum Kraftraum ausgebaut wurde. In der Psychiatrie hingegen gibt es diesen Luxus nicht. Da hat man den halben Tag „Therapie“ mit Verbrechern, die wirklich geistesgestört sind. In so einem Laden ist man besser verrückt, wenn man hineinkommt, sonst wird man es, während man drin ist. Außerdem entscheiden die Psychiater, ob und wann man als ausreichend „stabil“ auf Probe entlassen werden kann. Da gibt es kein festes Datum. Der Druck im Fall Breivik ist so groß und einige Psychiater lassen sich offenbar davon beeindrucken. Psychiater sind auch nur Menschen. Es kann also gut sein, dass Breivik länger als 20 Jahre in der Psychiatrie bleibt. Wenn die Psychiater ihn nicht gehen lassen, bleibt er für immer.
Planung und Schizophrenie: Geht das überhaupt zusammen?
Dieser Punkt wird von Kritikern oft angeführt. Man geht so in die Richtung: Breivik hat sein Verbrechen jahrelang im Geheimen geplant, also kann er nicht schizophren sein. Dieser Einwand ist in soweit richtig, dass Schizophrene in der Tat zu Chaos neigen. Ein Erkrankter hat oft ganz hochtrabende Pläne, kann diese dann allerdings in der Realität nicht umsetzen. Hinderlich sind dabei zum Beispiel Denkstörungen oder ganz einfach die Tatsache, dass der Wahn real gar nicht umsetzbar ist. Wie will man real zum Mond fliegen? Wie will man beweisen, dass man der neue Messias ist? Das geht schlecht. Breiviks Wahn war allerdings umsetzbar. Zwar gehören natürlich dumme Zufälle dazu, damit ein Erkrankter eine solche Wahnsinnstat wirklich umsetzen kann, aber bei welchen Terroranschlägen spielen dumme Zufälle bitte keine Rolle? Eben. Dass man mit Schizophrenie große Projekte umsetzen kann, hat John Nash mehrfach bewiesen. Nash hat sogar den Nobelpreis gewonnen.
Gewalt und Schizophrenie: Wie geht das zusammen?
Das ist leider ein Vorurteil mit dem Schizophrene zu leben haben. Viele Menschen haben Angst vor ihnen. Erstens weil die Wahnvorstellungen der Erkrankten anderen Menschen solche Angst machen können und zweitens natürlich weil viele Menschen glauben, diese „verrückten“ Schizophrenen seien alle überproportional gewalttätig. Psychopathen, Massenmörder eben. Dieses Vorurteil stimmt nicht. Schizophrene Patienten werden nicht häufiger gewalttätig als die Durchschnittsbevölkerung. Das muss man einfach wissen, wenn man mit diesen Menschen zu tun hat. Man muss keine Angst vor diesen Menschen haben. Diese Tatsache bedeutet allerdings nicht, dass schizophrene Menschen Engel sind, die keiner Fliege etwas tun können. Sie sind im Durchschnitt so gewalttätig wie ganz „normale“ Menschen auch. Nicht mehr und nicht weniger. Es gibt also auch bei Schizophrenen die volle Bandbreite. Besonders Erkrankte einer seltenen Unterform der paranoiden Schizophrenie können durchaus gefährlich werden. Es gibt in der Geschichte etliche schizophrene Attentäter. Nicht mehr als man statistisch erwarten würde wohlgemerkt, aber es gibt sie. Zu dieser Gruppe gehört offensichtlich Breivik.
Was sind die Komplikationen einer Schizophrenie?
Schizophrenie ist kein Kindergeburtstag. Unbehandelt neigt Schizophrenie dazu immer wieder aufzutreten. Kann man diesen Kreislauf nicht rechtzeitig medikamentös durchbrechen, bleiben die Symptome oftmals dauerhaft und sprechen nicht mehr auf Behandlung an. Ein sogenannter Residualzustand ist eingetreten. Eine andere ernste Komplikation ist der Übergang in eine katatone Schizophrenie. Der Patient bewegt sich im Extremfall nicht mehr, sondern ist in einer oftmals völlig unnatürlichen Position eingefroren. Zum Beispiel „sitzt“ der Patient in der Luft. Bei vollem Bewusstsein. Man spricht von Erstarrung, von Stupor. Es kann auch das genaue Gegenteil passieren, eine sogenannte perniziöse Katatonie. Der Patient ist maximal erregt, bewegt sich extrem schnell, überwärmt massiv und landet letztendlich im Nierenversagen mit Todesfolge. 10% aller Schizophreniekranken begehen zudem Suizid. Diese Letalität ist außergewöhnlich hoch. In einer ähnlich komplikationsreichen und tödlichen Liga spielen im psychiatrischen Bereich meines Wissens nur noch Suchterkrankungen und Depressionen. Alkoholismus ist eine Krankheit, Heroinsucht ist eine Krankheit und Schizophrenie ist eine Krankheit. Das müsste doch gerade den angeblich so humanen Linken mal ins Hirn gehen.
Schlusswort: Die Reaktion der Linken und ihre veröffentlichte Meinung
Die Reaktion der Linken ist zum einen sehr traurig. Es wird mal wieder die Tat eines geistig erkrankten Menschen aus rein politischen Motiven ausgeschlachtet. Die moralischen Maßstäbe der Linken sind total verschoben. Massenmörder mit der „richtigen“ Einstellung bekommen bei den Linken T-Shirts, Kinofilme und seitenlange, verständnisvolle „Analysen“ im Feuilleton. Massenmörder wie Breivik, die wahrscheinlich ernsthaft krank sind, aber zufälligerweise am „falschen“ Wahn leiden, bekommen nicht einmal die Medikation, die sie eigentlich benötigen. Das ist doppelte Unmenschlichkeit: Zum einen verharmlost und glorfiziert man islamistischen und linksextremen Extremismus, zum anderen steckt man geistig erkrankte Menschen in die rechtextreme Ecke. Natürlich gibt es auch mörderischen Rechtsterrorismus, das steht außer Frage. Es ist nur so: Breivik gehört sehr wahrscheinlich nicht dazu.
Zum anderen ist die Reaktion der Linken typisch. Genau das gleiche Trauerspiel konnte man auch im Fall Loughner beobachten. Loughner war bekanntlich der an Schizophrenie erkrankte junge Mann, der ein Attentat auf unsere Abgeordnete Giffords verübt hat. Giffords war Demokratin und damit war das Schicksal von Loughner in den ersten Wochen besiegelt. Loughner war genau so ein offensichtlicher Fall von Schizophrenie wie Breivik, trotzdem wurde das Thema von unseren und von den europäischen Medien verschwiegen. Noch zu Zeiten Breiviks schrieb ein Kommentator der New York Times:
We’ve seen the movie. When Jared Loughner shot Representative Gabrielle Giffords this year in Tuscon, Arizona […] the right went into overdrive to portray Loughner as a schizophrenic loner whose crazed universe owed nothing to those fanning hatred under the slogan of “Take America Back.
Ich übersetze das mal grob: Wir kennen das Ganze schon. Als Loughner die Abgeordnete Giffords dieses Jahr in Tucson angeschossen hat, spielte die Rechte verrückt und hat Loughner als schizophrener Einzelgänger dargestellt, dessen verrückte Welt nichts mit denen zu tun hatte, die unter dem Motto „Gewinnt Amerika zurück!“ Hass verbreitet haben.
Gemeint sind natürlich Republikaner, denen aufgrund dieses harmlosen und alltäglichen Wahlkampfmottos Hass unterstellt wird. Loughner ist für den NYT-Kommentator nicht wirklich schizophren, nein die Rechte sei verrückt, weil sie Loughners Schizophrenie thematisiert und darauf hinweist, dass Loughners Schizophrenie sicherlich nicht durch irgendwelche Wahlkampfmottos verursacht wurde. Die Linke in Amerika glaubt bis heute nicht, dass Loughner „wirklich“ schizophren ist. Auch der deutsche Spiegel brachte Artikel mit der Botschaft „Loughner war mental voll da“, einsortiert bis heute in der Kategorie „Tea Party“. Wer spielt in diesem Fall wirklich verrückt? Die Linke oder die Rechte? Der NYT-Mann geht noch weiter. Er kann auch gleich Breivik diagnostizieren:
Breivik is no loner. His violence was brewed in a specific European environment that shares characteristics with the specific American environment of Loughner.
Breivik ist kein Verrückter. Seine Gewalt wird durch ein besonderes europäisches Umfeld verursacht, das Gemeinsamkeiten mit dem besonderen amerikanischen Umfeld Loughners hatte. Bla bla bla. Man kennt diese Artikel auch von allen deutschen Medien.
Dass Schizophrenie eben nicht von außen verursacht wird, ist diesen Leuten total egal. Hauptsache sie können ihre krude Weltsicht verbreiten. Worunter laufen diese vielen, vielen Lügenartikel eigentlich? Sicherlich nicht unter Hass. Hassen können nur Rechte.
Ein anderer NYT-Kommentator stimmt mit einem Journalisten des Commentary Magazines überein:
…the Norwegian killer is exactly the kind of psychotic ideologue of the right so many in this country instantly assumed Jared Loughner, the schizophrenic who shot Rep. Gabrielle Giffords to be.
Der norwegische Killer sei genau der psychotische Ideologe der Rechten, den so viele Menschen in Amerika sofort im schizophrenen Jared Loughner gesehen haben. Frei nach dem Motto: Endlich haben wir den gewünschten Treffer.
Ein Lerneffekt ist bei diesen Leuten absolut nicht erkennbar. Diese Menschen freuen sich jedes Mal schon fast wie die kleinen Kinder, dass man jetzt endlich, endlich, den gewünschten „Rechtsradikalen“ bekommen hat und am Ende ist der Täter doch „nur“ wieder schizophren. Deshalb darf Breivik dieses Mal nicht schizophren sein. Noch einen Fall Loughner will sich die linke Medienmacht nicht leisten. Was nicht passt, wird passend gemacht. Spiegel Online titelte vor einem Monat in einem seltenen Anfall von Selbstironie:
Der Wahnsinnige soll gesund werden.
Dieser Satz trifft den Punkt ziemlich genau.
Der Fall Breivik ist eine Tragödie, die immer mehr ins Groteske abgleitet.
Nachtrag, 13.02.12
Auf einen Tipp hin habe ich doch noch einen sehr guten Artikel zum Thema gefunden. Er kommt aus Deutschland. Überraschung. Überraschung. Es ist ein ZEIT-Interview vom November mit dem Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen, Professor Dr. Norbert Leygraf. Da steht fast alles drin, was man wissen muss.
Parallel dazu gibt es einen Kommentar eines ZEIT-Journalisten. Dieser Kommentar ist nicht ganz so interessant wie das Interview selbst, aber immer noch lesenswert. Beide Texte haben noch einen Vorteil: Im Gegensatz zu meinem überlangen Amateurtext sind sie sprachlich sehr ansprechend und kommen schön auf den Punkt.
Zettel hat sich auch zweimal mit dem Thema beschäftigt. Sehr bemühte Artikel wie man das von Zettel nicht anders gewohnt ist, aber leider in der Sache nicht wirklich richtig. Auch die Achse des Guten hat mit einem Artikel von Dr. Ludin nicht unbedingt zur Aufklärung des Falles beigetragen. Alle drei Artikel stiften aus meiner Sicht neben Aufklärung auch zusätzliche Verwirrung. Zettel kann ich das verzeihen, der Mann ist Laie, aber Dr. Ludin ist ein Arzt vom Fach. Die Artikel sind trotzdem lesenswert. Dr. Ludin erzählt auch nichts Falsches, es ist manchmal nur ein bisschen unglücklich ausgedrückt. Sein Welt-Artikel ist meiner Meinung nach besser gelungen.
ein alter Freund von mir hat in den letzten Jahren die Wahnvorstellung sein ganzer Freundeskreis bestehe aus Scientologen entwickelt und deswegen den Kontakt zu fast allen abgebrochen.
abgesehen von seiner fortschreitenden Isolation „funktioniert“ er jedoch bemerkenwert gut, arbeitet und wird sogar Vater.
seine Frau nimmt seine fixen Ideen hin, da er ansonsten „normal“ ist.
wenn man versucht, ihn mit rationalen Argumenten, seine falsche Wahrnehmung auszureden, sagt er, dass es vielleicht stimme, aber bedeuten würde, dass er „verrückt“ wäre.
ich weiß, dass er letztlich um eine medizinische Behandlung nicht herumkommen wird, solange er jedoch „funktioniert“, wird er sich zu diesem Schritt wohl kaum durchringen können.
um seine Isolation zu bekämpfen, habe ich ehemalige Freunde überredet, dass wir mit ihm gemeinsam eine Anti-Scientology-Demonstration besuchen werden.
Der Fall ist interessant, du beschreibst schön das Wesentliche. Als Erstes müsste man schauen, ob wirklich ein Wahn vorliegt. Das kann ich natürlich aus der Ferne nicht sagen. Aber so wie du es beschreibst, eher nicht. Dein alter Freund geht ja durchaus auf Argumente ein. Er gibt zu, dass er vielleicht nicht Recht hat. Das spricht gegen einen Wahn. Ein Wahn ist unverrückbar. Gleichzeitig hat er Angst, dass er “verrückt” sein könnte. Solche differenzierten Gedanken macht man sich im Vollbild einer Psychose eher nicht. Da ist man von sich überzeugt. Dein Begriff „fixe Idee“ trifft es sehr gut. Das ist erst einmal nur eine fixe Idee, die dein Freund hat. In der Fachsprache spricht man von einer „überwertigen Idee“.
Dein Freund könnte natürlich auch einen echten Wahn haben. Wenn er sonst keine anderen Symptome hat, würde man eventuell Richtung „anhaltende wahnhafte Störung“ gehen. Dein Freund könnte auch manisch sein oder depressiv. Wenn es je ein bizarrer Wahn wäre, dann ginge es Richtung Schizophrenie. Aber so hört es sich nicht an.
Muss man deinen Freund behandeln? In der Psychiatrie gibt es wie überall in der Medizin nur eine wirkliche Anzeige für eine Behandlung: Leidensdruck. Der Patient selbst oder sein Umfeld müssen durch die Krankheit starke negative Folgen erleiden. Aktuell oder in Zukunft. Ist das nicht der Fall, gibt es auch keinen Grund für eine Behandlung. Zudem muss der Patient selbst natürlich eine Behandlung wollen. Bei Menschen mit fixen Ideen oder Wahnvorstellungen, ist es natürlich typisch, dass sie eben nicht behandelt werden wollen.
Natürlich kann man auch unter Zwang behandeln. Das geht aber nur in ganz speziellen Ausnahmefällen. Zum Beispiel wenn der Patient eine Gefahr für sich oder für andere darstellt. Das ist bei deinem Freund wohl nicht der Fall. Dein Freund ist ein ganz typischer Verlauf. Solche Fälle gibt es viele. Diese Menschen „funktionieren“ an sich ganz gut. Wenn man die alle behandeln müsste , wären die Psychiatrien für die nächsten 100 Jahre ausgebucht.
Du machst das schon richtig. Unternimm ruhig weiterhin ab und zu was mit ihm, dann sieht man den Verlauf. Seine Frau wird sicherlich auch reagieren, wenn es ihr zuviel wird.
vielen Dank für die Ferndiagnose!
Kein Problem. Gern geschehen. Ich verweise an dieser Stelle aber aus rechtlichen Gründen an meinen Disclaimer:
Meine allgemein gehaltene Einschätzung ist also keine Diagnose, kein Therapievorschlag und ersetzt in keiner Weise das Gespräch mit und die Untersuchung durch einem realen Arzt.
Wenn man aus einem Land kommt in dem Ärzte massenweise verklagt werden, dann gewöhnt man sich diese Standardsätze ganz schnell an. Sonst wird man ganz schnell ganz arm. 😉
Mir ist an Breiviks Manifest aufgefallen, dass er die Vorbereitung der Tat über mehrere Jahre gestreckt und in absurde Missionen unterteilt hat, die wie die Missionen eines Computerspiels strukturiert waren.
Unter anderem schneiderte er sich eine Schutzkleidung, die er als „Loki’s Armor“ bezeichnete. Er fuhr dann in die tiefe hunderte Kilometer in die norwegische Tundra, um die Kleidung mitten im Wald tief zu vergraben. Per GPS wollte er die Schutzkleidung vor dem Attentat wieder finden und ausgraben.
Das kann man getrost als bizarr bezeichnen. Mit rationaler Planung hat das nichts mehr zu tun.
Ist dir der Fall Franz Fuchs bekannt? Das war ein österreichischer Una-Bomber. Auch er behauptete, Teil einer selbst erfundenen „bajuwarischen Befreiungsarmee“ zu sein und schrie wild im Gerichtssaal herum. Gefasst wurde er nur, weil er bei einer harmlosen Verkehrskontrolle eine Rohrbombe gezündet hat, die nur seine eigenen Hände weg sprengten. Am Ende hat er sich in seiner Zelle aufgehängt. Handelte es sich um einen Justizirrtum?
http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Fuchs_(Attent%C3%A4ter)
Das ist genau der Punkt. Das ganze Manifest ist voll davon. Das ist ein bizarrer Wahn. Schizophreniekranke sind die Meister im Pläne schmieden. Allerdings sind diese Pläne selten rational und ökonomisch. Auch an der Umsetzung ihrer Pläne arbeiten diese Menschen durchaus wie besessen. Nur gehen sie eben extrem kompliziert und irrational vor. Aber bekanntlich führen viele Wege nach Rom. Breivik hat typischerweise den kompliziertesten genommen und kam am Ende leider trotzdem an.
In den Fällen Kaczynski und Fuchs spricht aus meiner Sicht vieles für eine Schizophrenie. Allerdings habe ich anders als im Fall Breivik keine Auszüge aus dem psychiatrischen Gutachten. Die beiden wurden sicherlich auch intensiv psychiatrisch untersucht, da wird es schon Gründe gegeben haben, die gegen eine Schuldunfähigkeit sprachen. Mein Verdacht ist allerdings auch in diesen Fällen: Eine mögliche Motivation ist gesellschaftlicher Druck. Es gibt ein gewünschtes Ergebnis und das diagnostizieren dann einige Psychiater bevorzugt. Die Anwälte von Kaczynski wollten zum Beispiel von Anfang an auf Insanity plädieren. Kaczynski hat seine Anwälte dann rausgeschmissen mit der Begründung er sei nicht verrückt. Das Gericht ist wohl dieser Ansicht gefolgt. Wahrscheinlich haben wir schon öfters Menschen mit einer akuten geistigen Erkankung ins normale Gefängnis gesteckt oder hingerichtet. Im Prinzip habe ich da auch nicht unbedingt etwas dagegen. Ich bin kein Anankast und wir sein kein Gutmenschen-Staat. Es sind die Linken, die immer so extrem auf diese Dinge pochen und deshalb finde ich es richtig, wenn sie im Fall Breivik jetzt auch einmal ihre eigene bittere Suppe auslöffeln dürfen.
Fuchs selbst kam ja immerhin in eine „Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher“.
Danke für den Übersetzungstipp. Ist geändert.
„Auch er behauptete, Teil einer selbst erfundenen “bajuwarischen Befreiungsarmee” zu sein“
der Untschied ist, dass Fuchs wohl wusste, dass er nicht Teil einer Befreiungsarmee war, auch wenn seine Bekennerschreiben davon sprachen:
http://aron2201sperber.wordpress.com/2009/09/02/war-die-bba-doch-keine-ein-mann-armee/
Breivik dürfte an deren Existenz hingegen tatsächlich glauben,
Na Ja, die Tempelritter existieren ja noch 😉
http://www.osmth-deutschland.de/aktuell/
Wie es sich für christliche Ritter gebührt, kämpfen sie auch gegen Killerspiele die unsere Jugend gefährden.
http://stigma-videospiele.de/wordpress/?p=5304
Warum allerdings ein Orden von religösen Fanatikern dessen Name mit dem Massaker von Ungläubigen, satanischen Riten und Sodomie für immer verbunden ist da besonders glaubwürdig sein soll, erschließt sich mir nicht 😉
Pingback: Bequeme Unzurechnungsfähigkeit « Aron Sperber
Die Reaktion der Linken lässt sich vermutlich auf eine Hauptursache zurückführen:
Für kaum eine andere politische Richtung verschwimmt selbst bei gemäßigten Anhängern (also hier: moderaten Linken) der Unterscheid zwischen Geistesgestört (psychisch Gaga) auf der einen Seite und politisch konträrer Auffassung auf der anderen Seite.
Für einen Demokraten sind Republikaner halt alle ein bisschen Gaga, umgekehrt möchte man aber auch einen politischen Gegner für eine Handlung verantwortlich machen. Heraus kommt: Republikaner kann man nicht über den Weg trauen und Shizo und Republikaner sein, wo ist der Unterschied? Republikaner sind an ihrer Haltung doch auch zum Teil selbst schuld (gleichzeitig schaut man auf sie als Instinktgesteuert herab).
Umgekehrt muss man natürlich zwischen Linken (politischer Haltung) und Geistesgestörten strickt unterscheiden.
Für die Linke ist halt alles politisch.
Die Erkentniss der faktischen Subjektivität vieler Einschätzungen kann zwar Aufgeklärt sein, wird von der Linken jedoch gerne als Freifahrtsschein missbraucht, um alles im eigenen („vernünftigen“) Sinner Einzustufen – Menschen mit abweichender Einschätzung wird dann ironischer Weise vorgeworfen, diese aus politische Motiven heraus zu betreiben (selbst wenn die Einschätzung von jemandem stammt, der ziemlich apolitisch ist und auf dem noch kein großer öffentlicher Druck stand).
Gab es nicht mal in den USA eine Feministen, die Männer (mindestens einen Filmemacher oder Künstler) umgebracht hat, weil sie meinte, dass seien Verfechter des Patriachats, die dann aber als psychisch Krank und Schuldunfähig eingestuft wurde? Sie wurde gelaube ich nur eine lächerlich geringe Zeit (für einen Mord) von der Gesellschaft fern gehalten (ich meine es seien um die 3 Jahre in der forensischen Psychatrie gewesen). Weiß hier jemand etwas darüber?
Hier ist sie:
en.wikipedia.org/wiki/Valerie_Solanas
Ein Musterbeispiel: Für die Linke ist alles Subjektiv, was sich irgendwie als gesellschaftliche Konvention interpretieren lässt (ist ja auch nicht ganz falsch). Nur das die Linke gut ist, steht außer Frage. Entsprechen großzügig hat man wahnhafte Manifeste einer radikalen Feministen entsprechend einzuschätzen: Die Gute war nicht verrückt, wie hat einfach eine Satiere geschrieben.
„She wrote the SCUM Manifesto, which urged women to „overthrow the government, eliminate the money system, institute complete automation and eliminate the male sex.“[1][2] Some authors regard the manifesto as a parody of patriarchy and a satirical work.“
Umgekehrt war Berivik nicht verrückt im psychaitrischen Sinne, aber von bösen Vorstellungen dominiert: Er ist also als schuldfähiger Verbrecher zu betrachten.
Faustregel: Was politschen oder religiösen Bezug hat ist nicht verrückt, stattdessen trägt jeder die Verantwortung, bei Linken und ihren Sorgenkindern (z.B.: Islamisten) in ihrem Sinne, bei allen anderen zu ihrem jeweiligen Nachteil.
PS: Wer mein Bessesen zu sein, kann natürlich auch aus Linker Sicht verrückt sein, sofern es mit dem Katholizismus im Zusammenhang steht. Steht es mit Vodoo im Zusammenhang ist es eine andere Kultur…
Wie gesagt ich habe nicht unbedingt was dagegen, wenn man „Schuldunfähige“ ins Gefängnis steckt. Ich bin kein Anankast und kein Gutmensch. Meinetwegen kann Breivik morgen auf den elektrischen Stuhl. Ich will nur die Mechanismen im Fall Breivik aufdecken.
Zum Ersten ist das der starke Verdacht, dass hier im zweiten Gutachten aufgrund gesellschaftlichen Druckes und einer Erwartungshaltung ein ganz bestimmtes Urteil gesprochen wird.
Zum Zweiten die typisch linke Heuchelei. Linken gehen ja normalweise immer extrem auf Dinge wie „Schuldunfähigkeit“ und „schwere Kindheit“ und so weiter ein. Nur nicht im Falle von angeblich „Rechtsextremen“. Das kann man ja auch gerne diskutieren. Aber dann muss man endlich alle Fälle so hart angehen. Nicht nur, wenn es einem gerade propagandistisch in den politischen Kram passt.
Wobei „hart“ ja im Falle Breivik pure Ironie ist. So gut wie im Knast, hätte es Breivik in einer Psychiatrie niemals. Das ist der Treppenwitz bei der ganzen Geschichte.
Präzise auf den Punkt. Ich muss mir einmal angewöhnen auch so zu schreiben. Das ist besonders in diesem Breivik-Artikel nicht wirklich der Fall. Zu lang. Schachtelsätze. Nicht auf den Punkt.
Das steht auf wiki. Die englische ist meist besser als die deutsche.
Ich denke mann muss schon ganz klar unterscheiden zwischen der Schizophrenie und der Persoenlichkeitsstoerung(en) (Schizoid/Narzsistisch).
Die Schizophrenie hat Breviks rationales Urteilsvermoegen geschaedigt und in wirklich glauben lassen ein Templer zu sein, welcher die Welt/Norwegen vor dem Islam rettet.
Aber es sind die Persoenlichkeitsstoerungen, welche ihn 77 Menschen haben toeten lassen. Mit einer anderen Persoenlichkeit haette er es dabei belassen Schriftstuecke zu verfassen oder haette sich aus Angst vesteckt etc…
Ein Mensch wie Breivik (Narzismus?) toetet auch ohne Schizphrenie falls ausreichend reale Gruende vorliegen (z.B. narzistische Kraenkung).
So gesehen koennte man sogar vermuten, dass die Schizophrenie (bzw. die Scheinwelt) aus den Persoenlichkeitsstoerungen entstanden ist, um eine ausreichende Legitimation zum Toeten zu schaffen.
Dass Breivik „rechts“ ist ist purer Zufall. Er hatte unter anderen Umstaenden genau so ein „Linksterrorist“ werden koennen.
Entscheidend ist aus meiner sich seine Schizoiditaet und sein Narzismus, welcher ihn dazu bringt menschen Mitleidslos zu toeten. Die Schizophrenie ist dabei zweitrangig.
Letztendlich ist auch keine Frage von Moral, sonder die Menscheit muss schlichtweg vor dieser Person geschuetzt werden.
Danke für ihren Kommentar!
Eine Schizophrenie ist leider nicht zweitrangig. Es ist eine Achse-I-Störung, das ist die höchste Stufe bei psychiatrischen Krankheiten, die es gibt. Deshalb streitet das Zweitgutachten eine Schizophrenie/Psychose wohl auch komplett ab. Entweder Breivik hat eine Schizophrenie oder er hat keine.
Man könnte schon versuchen, das bezüglich der Schuldfähigkeit aufzusplitten wie Sie das machen. Die Idee gefällt mir. Aber in der Praxis macht das niemand. Schizophrenien sind bei Ausbruch sehr dominant. Wie Breivik ohne Schizophrenie wäre, ist Spekulation. Eine scheinbare Zwickmühle, die man aber wie erwähnt relativ einfach klären könnte, indem man ihn einfach mal für ein paar Wochen mit Antipsychotika abfüllt. Zeit dafür war genug.
Ich bin kein Profi aber meine Vermutung waere, dass seine „schwierige“ Persoenlichkeit zusammen mit seiner Erziehung zu einem Double Bind gefuehrt hat und daraus die schizophrener Erkrankung enstanden ist.
In einer Gesellschaft die massenhaftes Toeten fuer ein hoeheres Ziel erlaubt, waere er Scharfschuetze geworden und die Schizophrenie waere nie entstanden.
Da Norwegen aber extrem liberal und pazifistisch ist fuehrte sein Drang zu Kaempfen/Toeten eben zu einem Double Bind und damit letztendlich zu seiner
Schizophrenie.
Beweisen laesst sich dies natuerlich praktisch nicht. In Asiatischen Kulturen ist dies aber ein gar nicht so unuebliches Thema.
Anders ausgedrueckt ist bei manchen Menschen der Drang zo toeten einfach so gross, dass es sogar zu einer Schizophrenie kommt, um das Toeten zu rechtfertigen.
Sehr, sehr auffaellig bei Breivik ist ja auch, dass er nicht Islamisten ermordet hat, sondern (liberale) norwegische Jugendliche. Das liegt nahe, dass der Double Bind genau darin lag auf einer Seite keine „Unschuldigen“ zu toeten (Erziehung/Ehre) auf der anderen Seite aber genau jene Jugendlichen und liberalen zu toeten, welche ihn wahrscheinlich nie annerkannt haben (klassische narzistische Kraenkung).
Die Schizophrenie mit ihren Wahnvorstellungen/ihrer Realitaetsverzerrung hat den Double Bind aufgeloest und ihm das Handeln erlaubt.
Natuerlich kann man die Schizophrenie als Ursache sehen, aber aus meiner Sicht ist die narzistische Kraenkung genauso wichtig.
Schizophrene Menschen sind (im Durchschnitt) nicht gewalttaetiger als normale Menschen, deshalb sollte man auch immer nach der „eigentlichen“ Ursache fuer die Gewalt fragen.
Man vermutet, dass Schizophrenien eine starke genetische Komponente haben. In wie weit Umwelttrigger eine Rolle spielen, ist umstritten.
Danke für diese ausführlichen Erklärungen. Konnten Sie das erste Gutachten lesen, wissen Sie ob das veröffentlicht ist? Ich verfolge den Prozess im norwegischen Fernsehen und komme auch zu dem Ergebnis dieser Mann ist verrückt und sein Handeln bizarr, alles was bei Otto-Normal an Hemmschwellen besteht, hat dieser Mann ausgeschaltet. 77 Menschen zu töten und sich selbst als besten Fußsöldner zu bezeichnen ist bizarr und abartig. Er hat Kinder getötet, heimtückisch, als Polizist maskiert, um ihnen dann kaltblütig in den Kopf zuschießen. Er will von seinen Taten ablenken, will mit seinen kruden Ideen als Tempelritter uns eine andere Diskussion aufzwingen, er verlangt soviel Aufmerksamkeit, weltweit und das ist wahnhaft. Ich denke das erste Gutachten trifft den Punkt und ich wünsch mir dass das Gericht der Staatsanwaltschaft folgt und ihn für unzurechnungsfähig erklärt – alles andere wäre eine Farce und wir würden weiter einem Wahnsinnigen auf den Leim gehen. Also, würde mich über ein Link freuen, der zum Gutachten führt!
Danke für ihren Kommentar. Ich wüsste nicht, dass es eines der Gutachten als Ganzes online gibt. Und wenn dann wäre es auf Norwegisch. Es wurden aber immer wieder Details des ersten Gutachtens geleakt. An diese Infos habe ich mich gehalten. Die englische und deutsche wikipedia haben diese Artikel unabhängig voneinander im Breivik-Artikel immer wieder verlinkt. Das war ganz nützlich für meine Recherchen. Die Breivik-Artikel haben sich seither stark geändert, was normal ist bei so einem aktuellen Fall. Ich finde die Artikel nun allerdings im Detail weniger präzise. Zu meiner Zeit standen viel mehr Infos zum ersten Gutachten. Spätenstens seit dem zweiten Gutachten wurde massiv gekürzt. Wahrscheinlich damit die Proportionen stimmen. Aber selbst deutsche MSM wie taz und SZ kapieren jetzt langsam was Sache ist. Eine Besinnung auf das erste Gutachten und auf die Schizophrenie scheint wahrscheinlich.
Hier ist ein Link zu den Breivik Gutachten (allerdings auf norwegisch): http://www.vg.no/nyheter/innenriks/22-juli/psykiatrisk_vurdering/
Vielen, vielen Dank, das ist sehr nett von Ihnen. Leider kann ich kein norwegisch. Wenn es je (Teil-)Übersetzungen ins Englische oder Deutsche gibt, bin ich daran natürlich ebenfalls sehr interessiert. Man muss sich bisher das meiste aus Presse-Artikeln herausziehen und Journalisten sind nun mal keine Experten vom Fach. Da gehen dann viele wichtige Informationen verloren bzw. werden falsch dargestellt.