Der Fall Amanda Knox beschäftigt aktuell auch die deutschen Medien. Ich finde die Unterschiede zum Fall Troy Davis sehr auffällig.
Im Fall Troy Davis standen die deutschen Medien extrem einseitig auf der Seite von Troy Davis. Ein Unschuldiger wird aus rassistischen Gründen von amerikanischer Jury in den Tod geschickt, so lautet das einstimmige Urteil der deutschen Presse.
In Einzelfällen kann man dagegen nicht immer etwas sagen. Wenn ein Medium so berichtet, okay. Wirklich verstörend war wie immer die Einstimmigkeit der deutschen Presse: Alle deutschen Medien haben so berichtet. Man hat den Deutschen nie ein umfassendes Bild geliefert. Der genaue Tathergang, die Beweise, geschweige denn die Sicht der Opfer, waren nie ein Thema.
Der Fall Amanda Knox ist hier auffällig anders: Hier wird der Tathergang ganz genau beleuchtet, aber ganz genau. Und nicht nur der Tathergang: Das ganze Privat- und Sexleben von Knox und Co wurde bis ins kleinste Detail ausgebreitet. So als könne man an der Zahl der Liebhaber und der gerauchten Joints Schlüsse daraus ziehen, ob Knox letztendlich etwas mit dem Tod von Meredith Kercher zu tun hat oder nicht. Nein hier ging es um Quote. Und in beiden Fällen geht es letztendlich auch um Antiamerikanismus.
Marc Pitzke schreibt auf SpOn:
„Die hübsche Brünette“, echauffiert sich die New Yorker Boulevardzeitung „Daily News“ nach der Freilassung, „wurde in der britischen und italienischen Presse diffamiert.“ In der Tat hatten Italiens Medien Knox als „Engel mit Eisaugen“ tituliert, in Großbritannien war es nicht besser gewesen.
Hold your horses right there, Pitzke! Die italienische und die britische Presse haben Amanda Fox als „Engel mit Eisaugen“ diffamiert?! Ja wirklich?! Mir fällt da mindestens noch ein deutsches Medium ein, das liebend gerne die Titulierung „Engel mit den Eisaugen“ verwendet hat. Welches deutsche „Qualitäts- und Leitmedium“ war das wohl?
Wir helfen der schlechten Erinnerung von Herr Pitzke einmal auf die Sprünge:
Engel mit den Eisaugen erneut vor Gericht
Neue Hoffnung für den Engel mit Eisaugen
Engel mit Eisaugen eine brutale Mörderin?
26 Jahre Haft für den Engel mit Eisaugen
Was hier vom Spiegel betrieben wird, ist bewusste Entmenschlichung. Angeklagte redet man mit Namen an, man wahrt Respekt und Neutralität. „Engel mit Eisaugen“ ist nicht neutral, es ist respektlos. Es ist ein Vorurteil im Titel, noch vor dem eigentlichen Text.
Es wäre mir neu, dass man Troy Davis jemals als „den Jungen mit den Eisaugen“ tituliert hätte. Nein, Troy Davis war einfach Troy Davis. So wie es sich gehört.
Die Empathien der deutschen Journalisten sind in beiden Fällen klar verteilt. Jeder deutsche Artikel über Troy Davis war ein Appell an die Gefühle. Welch’ himmelschreiende Ungerechtigkeit, welch’ Frevel. Man hatte den Eindruck: Jetzt setzt die deutsche, berufsempörte Journalisten-Politiker-Bagage mit Göring-Eckardt an der Spitze zu uns über, um Troy Davis zu befreien, eine lebenslange Haft von Amanda Knox sicherzustellen und aus unserem Land eine „echte“ Demokratie und einen „echten“ Rechtsstaat zu machen. Nach deutschem Vorbild versteht sich.
Empathien für Knox gibt es nicht. Man ist bestenfalls neutral, schlimmstenfalls ist sie der besagte „Engel mit den Eisaugen“.
SpOn wirbt auf der Frontpage aktuell mit dem Titel:
Amanda Knox könnte Millionen verdienen
Oh ja. Die Empathie bricht sich Bahn.
Immerhin scheint jetzt das Namensgedächtnis der SpOn-Redaktion wieder intakt.
Ich musste sehr, sehr lange suchen, um doch noch wenigstens einen Spiegel-Artikel zu finden, der die Verurteilung kritisch beleuchtet und so etwas wie Empathie für Amanda Knox zeigt. Er kommt von Alexander Smoltczyk und ist vom Dezember 2009. Neun Monate vorher hat Alexander Smoltczyk allerdings noch diese Schmonzette geschrieben. (Mit Dank an Arprin).
Die amerikanische Sicht des Falles hat nun auch der britische Guardian publiziert.
Gute Zusammenfassung.
Ich kann mich spontan an nichts, absolut gar nichts erinnern, indem die deutschen Medien oder gar die Bevölkerung eine gute Meinung zu den USA haben. Immer werden „amerikanische Zustände“ als etwas schlechtes und zu verhinderndes dargestellt, egal ob Krankenversicherung, Fettleibigkeit, Außenpolitik oder Todesstrafe. Nicht mal Obama konnte das ändern.
Der „Marsch durch die Institutionen“ ist keine Verschwörungstheorie. Immerhin ist der Spiegel ja kein unbedeutendes Medium…
ja das ist auch mein eindruck. amerikanische artikel über deutschland sind ganz anders. amerikaner bewundern in der regel deutschland. man kennt die automarken, die autobahnen, das bier und natürlich „oktoberfest“. amerikanische medien mit anspruch gehen auch durchaus in die tiefe. die kurzarbeit wurde unter amerikanischen intellektuellen ausgiebig diskutiert. man schaut immer, was man von ländern wie deutschland lernen kann. in deutschland so mein eindruck läuft das ganz anders: man feiert sich selbst und bestätigt vorurteile was amerika doch für ein fettes, rassistisches, asoziales scheißland ist und wie gut man es doch hat, dass man im „zivilisierten“ teil der welt lebt. naja ok. wenn es die deutschen glücklich macht.
so denken natürlich nicht alle deutsche. ich kenne auch viele deutsche die amerika-begeistert sind. in der regel sind das die, die schon einmal real vor ort waren. und natürlich gibt es auch amerikaner, die meinen die deutschen gehen im alltag in lederhosen spazieren oder seien immer noch nazis oder so. aber der allgemeine trend ist schon wie oben beschrieben. besonders auch unter deutschen „intellektuellen“ und in den medien.
Ach, noch eine kleine Frage, vielleicht kannst du mir helfen. In einem Artikel habe ich ohne es zu bemerken die Kommentarfuktion ausgeschaltet und weiß nicht, wie ich es wieder rückgängig machen soll. Kennst du dich da aus? Außerdem wollte ich wissen, welches Widget man braucht, um eine Artikelliste in der Startseite zu zeigen, sowie du es machst. Danke im voraus.
ich glaube für den betreffenden artikel, kann man es nicht mehr rückgängig machen, es sei denn du postest den artikel neu. aber das ist nur ein glaube, kein wissen.
das widget müsste „links“ sein. so heißt es jedenfalls in meinem theme.
die Berichterstattung zu Amerikanischen Justizfällen ist von Ressentiments geprägt.
ich halte den Freispruch jedoch für völlig verfehlt.
es gab eine Vielzahl an Indizien, die für ihre Schuld sprachen.
wenn die oberste Instanz das Urteil aufhebt (womit ich fix rechne) und die Amerikaner ihre Staatbürgerin nicht ausliefern (womit ich ebenfalls fix rechne und was man den Amerikanern angesichts der Eskapaden der Italo-Justiz nicht verübeln kann) werden die antiamerikanischen Ressentiments zusätzlich bedient werden:
http://aron2201sperber.wordpress.com/2011/10/05/neue-nahrung-fur-italiens-antiamerikanismus/
Nie wieder bilde ich mir meine Meinung aus irgendwelchen Spiegel-Artikeln.
http://www.guardian.co.uk/world/2011/oct/04/knox-acquittal-only-possible-verdict
ich bin geschockt, dass du dir deine meinung scheinbar immer noch über spiegel-artikel gebildet hast. 😉
die hintergründe zu giuliano mignini gehen die britische und amerikanische presse hoch und runter. im spiegel stand dazu in der tat praktisch nichts. das kritisiere ich ja gerade. diese extreme heuchlerische einseitigkeit. und dann unserer presse mangelnde qualität vorwerfen. der spiegel sitzt auf einem verdammt hohen roß mit seinen vielen pitzkes und putzkes.
danke für den artikel. douglas preston kannte ich. man muss sagen, dass mignini mit seiner paranoia nicht ganz unrecht hat. preston steckt natürlich mit hinter den attacken gegen mignini. aber nicht heimlich wie mignini behauptet, sondern ganz offen. aus gutem grund, mignini verfolgt seit jahren prestons freund, den journalisten marco spezi:
preston kritisiert das, was auch ich (u.a.) an italien kritisiere: es gibt keine gute gewaltenteilung in italien. die justiz hat zu viel macht. sie können fast machen was sie wollen. berlusconi hat leider recht in diesem punkt. aber das hatten wir ja alles schon öfter.
es sieht bitter aus für europa, wenn sich staaten wie deutschland mit staaten wie italien, spanien und griechenland zusammenketten. bald kommt auch noch der balkan dazu. die chancen stehen „gut“, dass das in einer katastrophe endet.