DSK vs. Bunga Bunga

Gehen wir mal davon aus, man könnte sich nur über deutschsprachige Medien zum Fall Strauss-Kahn informieren. Was würde man dann lernen?
Ein Überblick:

Unschuldsvermutung in Handschellen
(SZ)

Hoffnungsträger in Handschellen
(SZ)

Strauss-Kahn: Abgeurteilt von einer moralisch flexiblen Gesellschaft
(Focus)

Bitter ist das Ganze
(FR)

Irrungen und Wirrungen des Strauss-Kahn.
Eines ist sicher, wird Strauss-Kahn verurteilt, dann drakonisch.
(FTD)

Schwerste Anschuldigungen und harte Strafen
(SZ)

Kein Pardon. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen mit unerbittlicher Härte gegen den Franzosen vor.
(Spiegel)

IWF-Chef hat Einzelzelle in „Neu-Alcatraz“
(Spiegel)

Strauss-Kahn soll über Komplott spekuliert haben.
(Spiegel)

Profiteur der Strauss-Kahn-Krise. Sarkozy sonnt sich im Glück.
(Spiegel)

Also doch nur eine perfide eingefädelte Rufmordkampagne, um den Hoffnungsträger der Sozialisten zu diskreditieren?
(Spiegel)

Aber ist Dominique Strauss-Kahn tatsächlich so triebgesteuert und machtversessen, dass er sich von seinen Hormonen die Karriere vermasseln lässt? Oder verbirgt sich dahinter ein Krimi, wie ihn sich nur Geheimdienstler oder die in Frankreich reichlich vertretenen Verschwörungstheoretiker ausdenken könnten?
Wenn man sich die alte Juristenfrage „cui bono?“ – „wem nützt das?“ – stellt, kommt man schnell auf Nicolas Sarkozy.
(SZ)

Die Affäre aus New York verlangt nicht nach der Schwanz-ab!-Rhetorik eines gealterten Feminismus oder neoidealistischen Amazonen-Utopien. Sie zeigt ganz einfach, dass nicht nur die Insignien der Macht, sondern sogar unsere Imaginationen von ihr männlich besetzt sind. Eine etablierte und erkennbare Form weiblicher Macht gibt es nicht.
(Welt)

Ich denke der Fall ist klar. Wir haben hier ein Justizopfer. Ein Verschwörungsopfer. Ein Opfer seiner „Liebe zu den Frauen“. Ein Mann mit „Irrungen und Wirrungen“. Der nächste Familienvater, der nun der unerbitterlichen Weltmacht USA zum Opfer fällt.

Hier ist noch so ein Fall:

Roman Polanski soll freikommen. Wegen der absurden Fehler der Justiz in den USA und der Schweiz kann der Fall nicht mehr zu einem zufriedenstellenden Ende gebracht werden.
(SZ)

Die Schweiz hat einen Gast in eine böse Falle laufen lassen. Wir sollten uns schämen.
(Blick)

Gerechtigkeit für Polanski
(Berner Zeitung)

Besonders die Grünen im Schweizer Parlament sowie Künstlerkreise kritisieren das Vorgehen der Schweizer Behörden.
(Tagesspiegel)

Man kennt die Bedingungen, unter denen das passiert ist. Und genauso, wie es ein großzügiges Amerika gibt, das wir lieben, gibt es auch ein gewisses Amerika, das Angst macht. Und dieses Amerika hat uns heute sein Gesicht gezeigt.
(Francois Mitterand)

Längst geht es nicht mehr um Recht und Gerechtigkeit, sondern um den Versuch aller Beteiligter, das Gesicht zu wahren. Es ist auch die Kraftprobe zweier Rechtsordnungen: Das amerikanische System, das vor allem auf Vergeltung und Abschreckung setzt, trifft auf das mitteleuropäische Rechtsverständnis, das viel stärker die – häufig unpopuläre – Resozialisierung des Täters betont.
(Spiegel)

Eigentlich ist alles viel zu kompliziert, um in der ersten Empörung mal eben eine Petition zu unterschreiben oder Polanski vorschnell ins Gefängnis zu wünschen. Die juristischen Vorgänge sind verwirrend genug, erst recht das bizarr-tragische Leben eines Holocaust-Überlebenden, dessen hochschwangere Ehefrau Sharon Tate 1969 umgebracht wurde von den Anhängern des Sektenführers Charles Manson, der ein Hakenkreuz-Tattoo auf der Stirn trägt.

Es geht auch um die ganz großen Dinge, um Moral und Recht, Sühne und Gerechtigkeit, und vor allem darum, wie viel Schuld Polanski auf sich geladen hat und ob sich dies entschuldigen lässt.
(Spiegel)

Man kann diese Beispiele natürlich auch wohlwollender betrachten:
Die europäischen Medien beleuchten alle Blickwinkel ganz genau.
Differenzierung, Differenzierung, Differenzierung ist das Zauberwort.
Sie sind kritisch gegenüber allen Seiten, besonders gegenüber der Justiz. Vorverurteilungen finden nicht statt. Man steht der Seite des Beschuldigten, betont Unschuldsvermutung und Rechtsstaat!

So wie in diesem Fall:

Italiens Ministerpräsident Berlusconi hat schon einige Prozesse überstanden. Das aktuelle Verfahren um Prostitution Minderjähriger und Sexpartys stellt aber alle in den Schatten.
Die Staatsanwaltschaft Mailand rekonstruierte auf Grund von Abhörprotokollen eine etwas andere Version dieser Abende. Berlusconi soll mehrfach – und gegen Bezahlung – Sex mit Ruby gehabt haben. Das wäre die Begünstigung der Prostitution Minderjähriger, was in Italien mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden kann. Noch schwerer wiegt der Vorwurf des Amtsmissbrauchs.
(ARD)

Warum ist in Italien der skandalumwitterte Ministerpräsident Silvio Berlusconi, dem all das vorgeworfen wird und gegen den die ihm so verhasste Mailänder Staatsanwaltschaft ein Schnellverfahren beantragt hat, noch nicht zurückgetreten und am Ende?
(Welt)

Er und seine Anwälte haben mit sämtlichen politischen und juristischen Winkelzügen den Prozess zu verhindern versucht und tun es weiter. Sie bestreiten nicht nur die Vorwürfe, sondern auch die Zuständigkeit des Gerichts.

Im Fall Ruby gibt sich die Staatsanwaltschaft ihrer Beweise sehr gewiss. Sie hat Unmengen Abhörprotokolle und wohl auch Nachweise über Zahlungen.
(SZ)

Aus abgehörten Telefongesprächen etwa ginge eindeutig hervor, dass sich Ruby im Frühling 2010 ganze acht Nächte in Arcore aufgehalten habe und nicht nur drei Abende, wie bisher behauptet.
(Welt)

Einige Auszüge aus den öffentlich zugänglichen Ermittlungsakten, die auch Protokolle abgehörter Telefongespräche enthalten.
(Zeit)

Die Staatsanwälte hätten zufällig Telefongespräche Berlusconis mit Minzolini und Innocenzi abgehört, während sie in einen anderen Fall ermittelten, berichtete «Il Fatto».
(Basler Zeitung)

Zufällig Telefongespräche des Ministerpräsidenten abgehört.
Ist das nicht mal ausgewogene Berichterstattung. Wozu sollte man kritisieren, dass hier offenbar das ganze Umfeld eines Ministerpräsidenten abgehört wird? Was sind das für Gesetze, die es scheinbar erlauben Politiker beschnüffeln zu lassen? Zufällig Telefongespräche abgehört? Natürlich! Das passiert den besten Staatsanwälten. Kein Grund zur Kritik!

Kann es sein, dass die werten Magistrati aus politischen Motiven Berlusconi nachspionieren? Hat Berlusconi Recht, wenn er sagt, das sei ein politischer Prozess? Warum wird diesen offensichtlichen Fragen nicht nachgegangen?

Keine Gewaltenteilung, keine Immunität für die Exekutive.
Stichwort Immunität. Bei DSK schafft es der Spiegel den Sachverhalt sofort (!) anschaulich zu klären. Bei Berlusconi wird dieses Thema bis heute einfach ignoriert. Berlusconi macht böse Gesetze, die in vor der Justiz schützen sollen. Das ist die einzige Story, die nördlich der Alpen aufgetischt wird. Als könnte man einfach Merkel abhören und sie vor Gericht zerren. Man müsste viel tiefer einsteigen in die Materie. Warum gibt es keine ausreichende politische Immunität in Italien? Warum macht Berlusconi immer neue Gesetze? Die Geschichte beginnt bei Tangentopoli und nicht bei Berlusconi.

Wo ist die Differenzierung geblieben, die bei Polanski und DSK so locker von der Hand geht? Fakt ist: Die deutschsprachigen Medien wollen im Fall Berlusconi nicht differenzieren. Sie sind parteiisch.

Ruby ist eine Aussätzige.
Selbst Ruby wird von Schickeria und Medien behandelt wie eine Aussätzige. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat den Opernball boykottiert, weil Ruby eingeladen wurde. Der Standard brachte Ruby mit Gülle in Verbindung.

Welcher deutschsprachige Meinungsmacher steht auf der Seite von Berlusconi und Ruby? Wer berichtet wenigstens fair? Es gibt niemand. It’s as simple as that.

Mehr dazu bei Aron Sperber:

Ciao Berlusconi – Ciao Verfassung

Bussi-Bussi empört sich über Bunga-Bunga

Quod licet Mohammed, non licet Berlusconi

Anmerkung
Amerikanische Linke wie Jon Stewart verzichten in dieser Hinsicht auf Heuchlei und nehmen weitere Verharmlosungen unter die Lupe.

Auch der Deutsche Jan Fleischhauer trifft in seiner Kolumne mit einer beeindruckenden Zielsicherheit Woche für Woche den Nagel auf den Kopf.

Landsleute wie Obama und Stewart werden bei uns und in Europa als links eingeordnet, Menschen wie Fleischhauer gelten in Europa dagegen als rechts.

Diese kulturell und historisch bedingte Einteilung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Leute moralisch und politisch sehr eng beeinander liegen, ja zumeist sogar identische Ansichten vertreten. Obama und seine Demokraten sind in vielen entscheidenden Punkten weitaus rechter als zum Beispiel die deutsche CDU. Von der deutschen FDP ganz zu Schweigen.

5 Gedanken zu „DSK vs. Bunga Bunga

  1. Ich weiß doch, dass du kein Berlusconi-Fan bist.
    Ich bin auch keiner. Aber wie du sagst:
    Der Bias der Meinungsmacher ist extrem auffällig.
    Deine Beispiele mit Bush und Osama bringen es auf den Punkt.

  2. dass die Italiener Berlusconi wählen, obwohl alle europäischen Medien einheitlich negativ über ihn berichten, können sich europäische Journalisten nur damit erklären, dass er die italienischen Medien beherrsche und die Italiener falsch informiere.

    jeder, der ein wenig Italienisch beherrscht, kann sich leicht davon überzeugen, dass es eine Vielzahl Berlusconi-kritischer Medien gibt (von denen di europäische Journalisten ja auch ihre Infos über Italien beziehen)

    dass die Italiener Berlusconi wählen hat denselben banalen Grund, warum auch in Fr, D, Ö, GB Mitte-Rechts-Politiker gewählt wurden:

    http://aron2201sperber.wordpress.com/2010/12/14/warum-wahlen-die-italiener-berlusconi/

    die Bevölkerung wünscht eine Mitte-Rechts-Regierung

  3. Pingback: Özdemir lügt | American Viewer

  4. Pingback: Herr Özdemir redet sich die Welt schön | Jihad Watch Deutschland

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